Gründergeschichten
beginnt die Massenproduktion.
Und von der ersten Sekunde an brummt das Geschäft, ihre Solarzellen werden den frischgebackenen Thalheimern förmlich aus den
Händen gerissen. Nach nur drei Monaten übersteigen die Geschäftserlöse die Kosten: Der Break-Even ist erreicht – und die Solarbranche
ist baff. Zwölf Millionen Euro sind bis dahin in das Unternehmen geflossen. Q-Cells verwandelt sich auf einen Schlag in ein
begehrtes Ziel von Investoren. Dieser Moment wird zum Grundstein für ein beispielloses Wachstum des Unternehmens: Der Umsatz
liegt 2002 schon bei 17 Millionen Euro, erreicht 2003 knapp 50 Millionen Euro und überspringt 2004 mit 129 Millionen locker
die 100-Millionen-Grenze. Ein weiteres Jahr später folgt die 300-Millionen-Marke. Und 2006 sind es bereits stolze 540 Millionen
Euro. Das übertrifft die kühnsten Erwartungen der vier Gründer.
Möglich wird das, indem Q-Cells seine Produktion stetig ausbaut. Das Prinzip ist immer dasselbe: Anlage bauen, in Betrieb
nehmen, auf Produktionsebene bringen, und dann das Ganze von vorne mit der nächsten Fertigungslinie. Nebenher optimiert man
die Prozesse und bemüht sich, durch Forschung, den Wirkungsgrad der Zelle weiter zu verbessern. Der Markt scheint schier unbegrenzt
– auch dank der Politik. Die hat im April 2000 das erste Erneuerbare-Energien-Gesetz beschlossen, das den Ausbau alternativer
Energien vorantreiben soll. Laut Gesetz wird Solarstrom künftig höher vergütet als konventionell erzeugter Strom aus der Steckdose,
der beispielsweise |201| aus Kohle und Gas gewonnen wird. Energiekonzerne müssen diesen Strom in ihre Netze einspeisen. Durch die höheren Vergütungssätze
beginnen sich mehr und mehr Bürger für Strom aus der Sonne zu interessieren. Viele werden selbst durch Solarzellen auf ihren
Hausdächern zu Kraftwerksbetreibern.
Als Q-Cells richtig zu wachsen beginnt, wird es für die vier Unternehmensgründer hektisch: Noch ist das Management nicht ausgebaut.
Jetzt muss Milner ständig wechseln zwischen strategischem und operativem Geschäft. Ohne den Überblick zu verlieren, hat er
sich gleichzeitig um Einkauf, Vertrieb, Marketing und kaufmännische Finanzierungsangelegenheiten zu kümmern. Manchmal arbeitet
er sogar in der Produktion mit. Dazwischen immer wieder Einstellungsgespräche, denn die Belegschaft von Q-Cells wächst rasant:
Mit 82 Mitarbeitern startet die Produktion 2002, im nächsten Jahr sind es schon 207, dann 484, und heute schließlich 964.
Bei den ersten 150 Auswahlgesprächen ist Milner noch persönlich dabei: »Das ist sehr wichtig, um die Ziele und Werte des Unternehmens
rüberzubringen.« Trotz Stress und wachsender Belegschaft versucht er, den Gründergeist in der ganzen Firma zu verbreiten:
In den ersten Jahren verlässt er fast jeden Freitag das Haus erst gegen Mitternacht, um zurück nach Berlin zu fahren. Meistens
geht er dann vorher noch mal durch die Produktionshallen, spricht mit jedem Mitarbeiter und schüttelt ihm die Hand, »einfach
um Menschlichkeit aufzubauen«, wie er sagt. »Denn die Mannschaft macht’s einfach aus.«
Trotz des schnellen Erfolgs ist Q-Cells weder 2002 noch 2003 ein Selbstläufer. Für neue Produktionslinien braucht |204| man auch neues Geld. Und ohne Expansion geht es in seiner Branche nicht, weiß Milner: »Wenn in einer Industrie die Kosten
sehr stark vom Volumen der Produktion abhängen, braucht man eben das Volumen. Wenn die Industrie wächst, wächst man mit. Oder
man wird marginalisiert, dann ist man weg.« Denn noch ist Q-Cells ein kleiner Spieler auf dem Markt und konkurriert mit Unternehmen
wie Sharp oder Shell. In der Fachpresse heißt es genauso spöttisch wie ungläubig: »Existenzgründer wollen im Osten Zellen
herstellen.« Dass sie anfangs für eine Lachnummer gehalten werden, stachelt die Gründer an. »Denen zeigen wir’s«, schwören
sie sich.
|202| Der Gründer
Name:
Anton Milner
Geburtsjahr
:
1961
Geburtsort:
Sheffield / Großbritannien
Ausbildung /Abschluss:
Chemical Engineering, MBA
Heutige Position in der Firma:
Vorstandsvorsitzender (CEO)
Das Unternehmen
Firmenname:
Q-Cells AG
Sitz:
Thalheim (Landkreis Bitterfeld)
Gründungsjahr
:
1999
Was macht die Firma?
Entwicklung, Herstellung und Vertrieb mono- und multikristalliner Solarzellen sowie Entwicklung, Herstellung und Vertrieb
von Dünnschicht-PV-Modulen (ab Mitte 2007)
Mitarbeiter:
ca. 1 100
Umsatz:
539,5 Millionen Euro (2006);
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