Gründergeschichten
geschätzt für 2007: ca. 750 Millionen Euro
Gewinn:
2006: 87,7 Millionen Euro; geschätzt für 2007: ca. 100 Millionen Euro.
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(v. l.:)
Reiner Lemoine, Anton Milner, Holger Feist
Doch vor allem die Fremdfinanzierung gestaltet sich schwierig. Im Jahr 2002 steht die deutsche Wirtschaft auf wackeligen Beinen,
und Gründern mit hohem Geldbedarf bringen die Banken nur wenig Sympathie und noch weniger Kredit entgegen. Allmählich bereitet
der Liquiditätsstand Milner Sorgen, denn eigentlich muss die Produktion ausgebaut werden. Da besinnen sich die Gründer auf
ihren »Business-Angel«. Es folgt ein weiteres, wiederum sehr kurzes Gespräch mit Immo Ströher:
Die Gründer: »Immo, kannst du uns eine Million borgen, wir wollen neue Maschinen einbauen.«
Der Investor: »Uff, ja, kann ich wohl machen, habt ihr irgendwelche Sicherheiten?«
Die Gründer: »Eigentlich sehr wenige. Nimm doch unsere Aktien, bis wir das zurückgezahlt haben.«
Der Investor: »Ja, gut, so machen wir’s.«
In den Vertrag schreibt das Gründerteam den 3.12.2002 als Rückzahlungstermin. Am Stichtag ist das Geld wieder zurück |205| bei seinem Besitzer. Durch diese Zuverlässigkeit verdienen sich die Gründer das Vertrauen anderer Finanziers, wie beispielsweise
Marcel Brenninkmeijer von Good Energies, mit dem man ebenfalls eng zusammenarbeitet. So kann Q-Cells finanziell flexibel und
auf Wachstumskurs bleiben. Die dritte Kapitalerhöhungsrunde dauert schließlich nur eine halbe Stunde. Bei einer Aufsichtsratssitzung
präsentiert Milner die Pläne für ein neues Werk, nennt die benötigte Geldsumme und fragt: »Habt ihr Lust?« Die Investoren
besprechen sich: »Wie viel nimmst du?« »Und wie viel willst du?« »Gut, fertig.«
Für die Unternehmenschefs ist nicht nur ihre Geschäftsidee und die Qualität ihres Produktes überlebenswichtig, sondern auch
ihre eigene Zuverlässigkeit. »Vor allem die Kapitalseite – ob Banken oder Private Equity – glaubt nicht nur an das Konzept,
die Idee, sondern sehr stark an den Menschen«, davon ist Anton Milner heute überzeugt. »Ohne diese Vertrauensebene ist es
sehr schwer. Aber das Vertrauen bringt auch Verantwortung und Verpflichtung mit sich, weil man ihm gerecht werden muss. Wir
sind relativ aggressiv in unserer eigenen Planung und unseren Ansprüchen, und wir kommunizieren das so. Okay, hin und wieder
waren wir sehr ehrgeizig und vielleicht überambitioniert, aber es war immer klar: Wir können dieses Ding managen, wenn nichts
völlig Außerplanmäßiges passiert. Und wir haben immer geliefert.« Dadurch sei eine sehr starke Vertrauensbasis entstanden.
»Viele Gründer versprechen dagegen die Welt, aber das Resultat kommt und kommt nicht. Oder sie sind ultrakonservativ und nicht
attraktiv für Investoren.«
Q-Cells setzt dagegen auf Risikobereitschaft, bleibt allerdings konservativ bei den Finanzierungsstrukturen der Firma, |206| sodass die Gründer sicher sein können, dass sie mit einem einzelnen Fehlschlag niemals das ganze Unternehmen gefährden. »Wenn
die Investition schiefgeht oder eine Produktionslinie ein Jahr lang nicht funktioniert, braucht man genügend Sicherheiten,
damit man dieses Jahr überleben kann«, sagt Milner. »Diese Risikoreduzierung ist sehr wichtig, damit man weiß, dass man notfalls
nicht in die Knie gehen muss.« Die Bereitschaft zum Risiko heiße eben nicht, alles auf eine Karte zu setzen und zu hoffen,
dass es klappe. »Schließlich kommt es vor, dass wir Investitionen tätigen, die so groß wie der Umsatz sind. Da muss man sich
der Frage stellen: Wie finanzieren wir das? Wären wir dagegen immer nur auf der ganz sicheren Seite geblieben mit einer konservativen
Planung – und dann eben auch konservativen Ergebnissen –, hätten wir uns nicht so sehr um diese Absicherung kümmern müssen.«
Im Jahr 2003 entscheidet der Bundestag darüber, ob ab 2004 die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) in Kraft treten
soll. Die Zukunft der Fotovoltaikbranche hängt von diesem Gesetz ab: Solarstrom ist bei weitem noch nicht konkurrenzfähig
mit Strom aus Kohle oder Atomenergie. Nur dank der Vergütung, die das EEG garantiert, kann sich die Installation einer Solaranlage
lohnen. Bricht diese Förderung weg, werden keine Solarmodule mehr gekauft und damit auch keine Solarzellen mehr benötigt.
Jetzt steht das Gesetz zur Diskussion. Die Q-Cells-Gründer haben gerade im großen Maßstab in die Produktion
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