Gründergeschichten
Gigawatt, also das Hundertfache.« 2,5 Gigawatt entspricht ungefähr der Leistung von zwei Atomkraftwerken – von denen
es weltweit |212| allerdings über 400 gibt. Doch sobald Solarstrom endlich konkurrenzfähig zu gewöhnlichem Strom aus der Steckdose werde, »reden
wir über den Zugang zu einem Markt von Terrawatt, also dem Tausendfachen der jetzigen Marktgröße.« Sein Fazit: »Die Industrie
wird nur Erfolg haben, wenn sie in der Energieproduktion mittel- und langfristig kostengünstiger ist als andere. Das ist der
eigentliche Auftrag für diese Branche.« Und weil er dieses Ziel ernst nimmt, müssen die Aktionäre zunächst auf Dividenden
verzichten. Man benötige das Geld, um das Geschäft auszubauen.
Solange die angestrebte Konkurrenzfähigkeit noch nicht erreicht ist, besteht eine von Milners Hauptbeschäftigungen darin,
seiner Branche und seinem Unternehmen Zeit zu verschaffen und zu verhindern, dass die Politik die Förderung alternativer Energien
oder speziell der Solarenergie plötzlich kippt. »Ich verbringe einen gewissen Teil meiner Zeit auch in Berlin. Einfach um
Verständnis aufzubauen, was die Industrie warum braucht. Das ist eine Rolle, an die ich früher nie dachte. Wir hatten zum
Beispiel 2004 Gerhard Schröder zu Besuch. Beim CDU-Energie-Gesprächskreis waren wir auch.«
Inzwischen erkenne er beim Thema »Erneuerbare Energien« einen deutlichen Meinungsumschwung in Politik und Gesellschaft, so
Milner. »Während man früher die Frage ›ob‹ gestellt hat, lautet jetzt die Frage eher ›wie‹. Wie dabei die Bedingungen auf
dem Fotovoltaikmarkt aussehen werden, ist Spekulation. Ich gehe davon aus, dass die Förderung eine gewisse Zeit lang fortgesetzt
wird, und dann muss man das noch mal unter die Lupe nehmen.« Milner zufolge entsteht auch bei der dem EEG gegenüber kritischer
eingestellten Union zunehmend Verständnis für Fotovoltaikunternehmen. Das habe |213| wohl mehrere Ursachen, vermutet er: »Wenn man den Meinungsforschern glaubt, wollen 80 Prozent der Wähler Fotovoltaik richtig
auf Trab bringen. Es gibt also eine Stimmung dafür, vermutlich wegen der Sorgen, die der Klimawandel jedem bereitet.« Außerdem
nähmen die sachlich-inhaltlichen Kenntnisse des Solarmarktes in der CDU /CSU zu, lobt Milner. »Und natürlich schaffen wir
viele Jobs. Das hilft auch.«
Das letzte Argument ist nicht von der Hand zu weisen. Mag der Anteil des Stroms aus Sonnenenergie nur langsam wachsen – die
Zahl der neu entstandenen Arbeitsplätze tut es mit Höchstgeschwindigkeit. Etwa 25 000 Menschen sind inzwischen in der Solarbranche
in Deutschland beschäftigt, mehr als 1 000 Jobs davon hat Q-Cells geschaffen. Die Firma ist der größte Arbeitgeber in und
um Bitterfeld. Die rund zehn Millionen Euro Startgeld des Landes Sachsen-Anhalt hat das Unternehmen längst wieder in Form
von Steuern zurückgezahlt. Die Solarzellenproduzenten fördern die Jugendarbeit in der Region, sponsern einen Fußballklub,
bauen für ihre Mitarbeiter einen Kindergarten: »Wir sind uns unserer Rolle als Leuchtturm in der Region bewusst«, versichert
Milner.
Vor allem aber: Noch viel mehr Arbeitsplätze sollen entstehen. »Wir wollen bis 2010 auf 5 000 Leute wachsen«, kündigt der
Vorstandsvorsitzende Milner an. »Das ist eine Investition von weit über einer Milliarde Euro. Wie viel davon hier im Vergleich
zu anderen Standorten stattfinden wird, wissen wir noch nicht, denn zu abhängig von einem einzigen Standort kann ein so großes
Unternehmen wie unseres nicht sein. Unsere Präferenz ist aber, hier zu bleiben.«
Wenn Q-Cells in einigen Jahren möglicherweise seine Produktion im Ausland ausweite, dann habe das jedenfalls nichts |214| mit Einsparungsmaßnahmen sondern mit der Expansion des Unternehmens zu tun, betont Milner. »Gewisse Technologien wie zum Beispiel
die Dünnschicht-Module brauchen Marktnähe wegen der Logistikkosten, des Customer-Feedbacks und so weiter. Und wenn ein großer
Markt in den USA oder in Spanien entsteht, dann müssen wir das bei unserem Wachstum in Betracht ziehen.« Die von vielen anderen
Arbeitgebern als Abwanderungsgrund vorgeschobenen hohen deutschen Löhne schrecken Milner jedenfalls nicht vom Standort Deutschland
ab: »Personalkosten sind zwar ein großer Teil in unserer Wertschöpfung, machen aber von unserem Umsatz nur sieben oder acht
Prozent aus. Das können wir durch den technologischen Vorsprung, den wir hier haben,
Weitere Kostenlose Bücher