Gruene Armee Fraktion
von Aktenordnern in Naturholzregalen. »Endlager Morsleben« und »Wiederaufarbeitungsanlage La Hague« stand auf den Etiketten, in einer anderen Reihe »Kalkar Plutonium« und »Krümmel«, außerdem gab es einen Ordner mit der Aufschrift »Leukämie«.
»Was weiß Greenpeace über diese Fälle in der Elbmarsch?« Mondrian zeigte auf den Ordner, während im Hintergrund stetig Computertastaturen klapperten. »Hat es da wirklich einen vertuschten Störfall gegeben, der die Kinder krank gemacht hat?«
»Jedenfalls keinen, den man beweisen könnte.« Reitmeyer, Nuklearexperte bei der Umweltorganisation, setzte sich an einen zerkratzten Holztisch und griff sich ein paar Papiere. »Sicher, es gab da immer wieder schwere Pannen«, sagte er, während er in den Unterlagen blätterte. »Haarrisse in Schweißnähten von Rohren …«
»In Krümmel?«
Reitmeyer nickte. »Sie wurden bei der Untersuchung mit Ultraschall gefunden. Dann natürlich das Feuer in der Trafostation. Aber unter uns, wenn man ehrlich ist, muss man zugeben, dass das von manchen Politikern echt hochgespielt wurde. Das war meiner Meinung nach noch weit weg von einem GAU.«
»Und was wissen Sie von einer Explosion in der GKSS?«
»Ach, diese Sache, die 1986 stattgefunden haben soll? Alles bloß Gerüchte. Das sind Behauptungen einer Bürgerinitiative aus der Elbmarsch, wo die Leukämiefälle aufgetreten sind. Nach deren Angaben existieren drei Zeugen, die damals einen Feuerschein gesehen haben wollen. Bloß sind die einfach nicht auffindbar, wenn man selbst mal mit ihnen sprechen will.«
»Und die Krater in der Nähe?«
»Diese Kuhlen sind wohl entstanden, als die Alliierten nach dem Krieg dort Dynamitbunker gesprengt haben.« Reitmeyer deutete auf ein Areal auf einer Landkarte. »Ich bin selbst mal vor Ort gewesen. Früher war dort eine Sprengstofffabrik von Alfred Nobel. Die Senken sind längst zugewachsen. Da stehen ziemlich alte Bäume drin.«
»Es gibt ja Leute, die herausgefunden haben wollen, dass 1986 neben Uran sogar Plutonium ausgetreten ist.«
Der Greenpeace-Mann winkte ab. »Leute vom Öko-Institut haben bei der GKSS schon vor Jahren Berge von Unterlagen gewälzt und jeden Stein umgedreht. Sorry, das sind bisher nur Verschwörungstheorien. Aber warum interessieren Sie sich jetzt überhaupt dafür?«
»Wegen des Ingenieurs, der bei Geesthacht gefunden wurde. Wir haben einen Hinweis, dass der Mord mit den Leukämiefällen zu tun haben könnte.« Mondrian wusste, dass er jetzt ein paar Karten auf den Tisch legen musste, aber es sollten nicht gleich zu viele sein. Während sein Blick über einen Ordner mit dem Titel »AKW und Terror« schweifte, schob er vorsichtig nach: »Wir haben in diesem Zusammenhang ein Dokument mit einem Namen erhalten, den Sie kennen müssten. Fernando Pereira.«
»Pereira? Unser Mann in Auckland?« Der Greenpeace-Physiker zog die Augenbrauen hoch. »Der ist doch längst tot. Ertrunken, als er seine Fotos aus der gesprengten ›Rainbow Warrior‹ retten wollte. Er war damals auf dem Weg zum Mururoa-Atoll, um Menschen zu helfen, die bei den Atombombentests verstrahlt worden waren. Wurde von französischen Agenten ermordet. Was soll sein Name in diesem Zusammenhang?«
»Möglicherweise will ihn jemand rächen?«
»Nach so langer Zeit? Sicher, damals gab es Proteststürme, weil die französische Regierung die Operation gedeckt hat. Sie hat die Agenten sogar zurückgeholt, damit sie in Neuseeland keine Strafe absitzen mussten. Aber heute?«
Mondrian rührte in seinem Fair-Trade-Kaffee. Der braune Rohrzucker wollte sich nicht auflösen.
»Kann es nicht sein«, fragte er langsam, »dass es bei Greenpeace Leute gibt, die es leid sind, nur Transparente an Meiler zu hängen? Die nicht bloß Flyer mit rührenden Robbenbildern verteilen und Spenden einsammeln wollen? Die endlich zu härteren Mitteln greifen wollen, weil sich sonst nicht genug bewegt?«
»Nein, Greenpeace tickt anders.« Reitmeyer lehnte sich unwillig zurück. Ein Schatten von Ärger lief über sein rundliches Gesicht. »Wir haben immer auf Emotionen gesetzt, nicht auf Gewalt. Und die Spenden brauchen wir einfach, um die Kampagnen zu finanzieren, unsere Zentrale, die Lobbyarbeit in Parlamenten, den ganzen Apparat. Nur so sind wir ein ernst zu nehmender Partner für die Politik bei internationalen Konferenzen, ein Player gegen Multis wie Vattenfall oder Exxon. Mit gewalttätigen Aktionen kommt man gegen solche Konzerne nicht an.«
»Sind nicht schon
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