Gruene Armee Fraktion
Mondrian ein.
»… und daran seid auch ihr von der Presse schuld. Ihr verschweigt den Leuten, was wirklich auf sie zukommt, und beschäftigt euch lieber mit Fressen, Ficken, Fernsehen.«
Sie holte tief Luft und nahm einen großen Schluck aus ihrer Teetasse.
»Schon wahr, Umweltthemen sind in den Redaktionen nicht mehr so sexy«, gab Mondrian zu, »wir sind gebrannte Kinder, was Katastrophenjournalismus angeht. Erinnert sich noch jemand an das Waldsterben? An die Voraussage, dass im Jahr 2000 in Deutschland nur noch Baumskelette stehen? Falscher Alarm, genau wie die wiederholten Warnungen vor einem Super-GAU in einem deutschen Kernkraftwerk …«
»Hey, Mann, reicht dir das Desaster in Japan etwa nicht?«, unterbrach ihn der rot-grüne Stoppelkopf böse.
»Und willst du so was wie die katastrophalen Waldbrände in Russland und die Überschwemmungen in Australien ignorieren?«, fragte ein schwarzhaariges Mädchen mit großer Brille, die ihr unscheinbares Gesicht mit zwei Piercing-Ringen aufgepeppt hatte.
»Schon kapiert. Es gibt ja auch Leute, die Alarm schlagen«, argumentierte Mondrian, »Al Gore etwa …«
»Und Bono? Und Bob Geldorf? Meinst du diese Wichser?« Der Gelbzahnige leckte ein Zigarettenpapier an. »Die machen doch nur Reklame für sich selbst.«
»Aber sogar Hollywood-Promis versuchen ja schon, grün zu leben. Julia Roberts zum Beispiel, Leonardo DiCaprio, George Clooney, alles bekennende Lohas …«
» Lifestyle of Health and Sustainability ? Dass ich nicht lache«, ätzte der käsige Bubi, »dieses Modeding ist doch so was von elitär, das können sich nur Reiche leisten, die mit ihrem Hybrid-Wagen protzen wollen.«
»Und was ist mit Greenpeace oder Robin Wood? Oder anderen Organisationen wie dem World Wildlife Fund?«
»Ach, vergiss es. Denen geht es vor allem um Spenden und um ihr eigenes Image.« Der Junge mit den Ohrringen verzog verächtlich die spärlich behaarte Oberlippe. »Das sind Geldmaschinen geworden, die vom Ruhm vergangener Tage zehren.«
»Immerhin machen sie Lobbyarbeit bei großen Konferenzen …«
»Genau, Sprüche. Und für dieses Palaver haben wir keine Zeit mehr«, unterbrach Ricarda Walde, »endlose Tagungen wie in Kopenhagen und Cancún, bei denen nichts anderes herauskommt als unverbindliches Gewäsch.«
Mit einer heftigen Bewegung stand sie auf. »Wir verhalten uns einfach schizophren«, stieß sie erregt hervor, »wir wissen, dass wir alle im Treibhaus sitzen, aber wir verdrängen das. Die Wissenschaftler vom Weltklimarat beschwören uns seit Jahren, dass die Emissionen runtermüssen. Und was passiert? Sie gehen immer weiter nach oben. Und am schlimmsten ist, dass nicht mal nach Fukushima alle AKW sofort abgeschaltet werden. Damit sitzen wir noch Jahre auf tickenden Zeitbomben, die Leute werden bloß eingelullt mit dem Versprechen auf einen schrittweisen Ausstieg. Sie müssen endlich aufwachen! Und wenn es sein muss, durch ein Fanal!«
»So eines?«, frage Mondrian ruhig und zeigte auf Zeitungsberichte über die GAF-Attentate, die er in einem Regal entdeckt hatte, drapiert wie Trophäen.
»Wundern Sie sich etwa über solche Anschläge?« Ricarda Walde schoss einen wütenden Blick auf ihn ab. »Sie sollten sich eher fragen, warum so was nicht schon früher passiert ist.«
»Mit klammheimlicher Freude?« Er schaute auf das RAF-Plakat mit dem zerbombten Mercedes.
Es dauerte einen Moment, bis der Glatzkopf antwortete. »Die haben wenigstens für ihre Überzeugungen gekämpft.« Seine Stimme hatte plötzlich einen eisigen Ton, der nicht nach einer Einladung zur weiteren Diskussion klang.
Mondrian blickte die anderen an. Auch sie sahen aus, als hätten sie gerade ihre Visiere heruntergeklappt.
In die Stille hinein öffnete sich die Zimmertür. Zwei junge Männer in Shirts mit der Aufschrift »Fight Back«, Baseball-Caps in den Nacken geschoben, schauten herein und musterten Mondrian misstrauisch. Bis auf die unterschiedliche Länge ihrer Lenin-Bärte sahen sie fast identisch aus.
»Kommt jemand mit rüber in den Bunker?«, fragte der eine. »Da spielt ‘ne neue Ska-Punk-Truppe.«
Das Signal zum Aufbruch.
»Okay«, sagte der Junge mit den Ohrringen zu Mondrian und zog das schwarze Tuch hervor, »dann wollen wir mal wieder. Geisterbahn reloaded.«
Diesmal wurden ihm die Augen nicht so stramm verbunden. Er hatte das Gefühl, dass es die Blonde mit dem Stirnband war, die den Knoten an seinem Kopf festzog und ihn mit sanftem Griff aus dem Raum
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