Gruene Armee Fraktion
gespielt wird.«
»Meinst du den auf dem Heiligengeistfeld? Dann würde ich es mal im Schanzenviertel probieren. Da kenne ich einen Supermercado, einen Spanier, der auch eine Menge Sachen aus Südamerika hat.«
Schanzenviertel? Das wäre möglich, überlegte Mondrian, während er einen süßen Schluck Espresso nahm und die Fahrt mit verbundenen Augen innerlich noch einmal abspulte.
Kathy gab ihm einen Zettel mit der Adresse, und sie redeten noch eine Weile. Die Befangenheit blieb mit am Küchentisch sitzen.
»Du kannst dich auch sonst mal melden. Falls du ausnahmsweise mal nicht auf Recherche bist.«
Mit dem Versprechen, sich zu bessern, verabschiedete er sich.
Der Laden lag am Fleischgroßmarkt, schräg unter dem Fernsehturm. Mondrian stellte seinen Wagen auf den Schanzenhöfen neben einem Musikkindergarten und einer Werkstattgalerie ab. Als er das Geschäft betrat, stellte er fest, dass es fast eine Halle war. In langen Regalen stapelten sich erdbraune Töpferwaren, in den Kühltruhen lagen Riesentüten mit Gambas, Sepia-Spießen und Calamares, daneben standen Hundertschaften von plastikumhüllten Vino-Tinto-Flaschen. Und Kisten mit Vinho Verde. Und auch Mate-Pakete, gleich mehrere Sorten.
Mondrian griff sich eine schwarz-rote Tüte, zahlte und trat mit den getrockneten Blättern bewaffnet vor den Laden. Hier irgendwo in der Nähe konnte die Ricarda-Walde-Gang wohnen, wenn er Glück hatte. »Zwei Straßen weiter«, hatte sie gesagt.
Er hatte eine Idee, wonach er suchen musste.
Eine Fassade, auf die eine Faust gesprüht war.
Das Bild, das Schirra ihm auf sein Handy geschickt hatte, sah wie ein Observationsfoto aus. Geschossen, als die Zielperson aus ihrem Eingang trat.
Zwischen Szene-Gängern, die mit Headset und Kinderwagen Restaurantstühle und Hundehaufen umkurvten, ließ er sich durch die engen Straßen treiben, um die Häuser zu mustern. Die »Schanze« war in den letzten Jahren zu einem ganz besonderen Schmelztiegel geworden. Nicht nur die Hochburg von Alternativen und Aussteigern, sondern Magnet für die neue Bionade-Bourgeoisie. Lässig gekleidete Werber drängten sich an Bettlern mit Blechtasse vorbei, ohne ihnen auch nur einen Blick zu schenken. Studentinnen mit coolen Sonnenbrillen balancierten ihren coffee to go an kettenbehangenen Altrockern entlang, die fast so räudig wie ihre bejahrten Hunde aussahen. Bhagwan-Jünger, in Ehren und roten Klamotten ergraut, passierten das »Jesus-Center«, neben dem Drogensüchtige abhingen, und an den Ständen mit Vinylplatten suchten Musikjunkies nach dem besonderen Kick, während man an der »Volxküche« veganes Essen bekam.
Gemächlich flanierte Mondrian an »Oma’s Apotheke« vorbei, wo Tequila und Meterbier zum Trinkertarif angeboten wurden, blickte in die Schaufenster von Modegeschäften, die »Fräuleinwunder« oder »Sternschnuppe« hießen, roch die Düfte arabischer, italienischer, vietnamesischer Speisen. Und nach einem Blick in den Hof einer alten Piano-Fabrik fand er sich vor der »Roten Flora« wieder, dem von Aktivisten besetzten Kulturzentrum, das für ihn wie eine von Plakaten zusammengehaltene Ruine mit einem Berg von Schlafsäcken davor aussah.
Gegenüber kam er nicht an der Reihe von Restaurants vorbei, ohne einen »Galão« zu schlürfen, den portugiesischen Milchkaffee, der hier eindeutig am angesagtesten war. Schließlich stieß er bis zu einem St.-Pauli-Fanshop vor, wo es Totenköpfe ohne Ende gab, auf Shirts und Gläsern, auf Latschen und Aschenbechern, sogar auf Unterhosen. Ohne besondere Absicht machte er kehrt und ging wieder unter der Bahnbrücke durch, die über das Schulterblatt führte. Da hörte er es. Direkt neben ihm. Das prasselnde Geräusch, das schlagartig einsetzt, wenn Autoreifen auf Kopfsteinpflaster treffen und ihr Hall noch durch eine Unterführung verstärkt wird. Er schloss die Augen und erkannte das Rattern wieder, das jetzt noch durch das metallische Singen von Bahnrädern in einer Gleiskurve untermalt wurde. Genau das hatte er bei der Nachtfahrt gehört, das Tuch um den Kopf, kurz vor dem Ziel.
Langsam, dachte er, wird das Blinde-Kuh-Spiel heiß.
Er trat aus der Unterführung und ging auf dem Schulterblatt zur nächsten Ecke. Schwenkte in eine Straße, wo ihn ein Tattoo-Shop empfing und ein Stück weiter die Wandparole »Beleave in your dream«. Spähte die Häuser entlang, an denen Poster mit gezeichneten Videokameras und der Warnung »Stop control!« klebten. Genau das richtige Biotop für eine
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