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Gruene Armee Fraktion

Gruene Armee Fraktion

Titel: Gruene Armee Fraktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Metzner
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ihrer Räder an den Gleisen. Wenige hundert Meter weiter war es plötzlich still. Der Wagen hatte angehalten, die Türen klappten auf.
    Als jemand leise »Clean!« sagte, fühlte Mondrian, wie kräftige Hände seine Arme packten und ihn aus dem Wagen zogen. Sie führten ihn in ein Gebäude, dirigierten ihn mehrere Stockwerke weit Treppenstufen hoch, bis die Geräusche auf einmal gedämpft klangen, wie in einer Wohnung. Sie drückten ihn auf einen Stuhl oder Hocker, und die Binde wurde abgenommen.
    Mondrian rieb sich die Augen und schaute sich um. Ein weiß getünchtes Zimmer, das von einer nackten Glühbirne an der Stuckdecke erleuchtet wurde. An einer Wand ihm direkt gegenüber hing ein großes Poster mit einem entschlossen blickenden Che Guevara und der Aufforderung »Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche«. Daneben ein Plakat mit dem Emblem der Roten Armee Fraktion und dem zerbombten Mercedes des Deutsche-Bank-Chefs Alfred Herrhausen, garniert mit dem Spruch »Wir hatten oft mehr als klammheimliche Freude«.
    Auf eine andere Wand hatte jemand mit wilden Linien etwas gesprüht, was wohl eine sinkende Arche Noah sein sollte. Sie war gerahmt von einsturzgefährdeten Regalen, die mit Papierbergen überladen und mit einem Sammelsurium von Stickern beklebt waren: gegen Regenwaldrodung, gegen Biopiraterie, gegen Abschiebungsknäste und vor allem gegen Atomkraft. Von einem riesigen Transparent lachte die gelbe Nein-danke-Sonne mit der Aufschrift »Sofort!«. Ein Fenster wurde durch ein schwarzes Rollo mit St.-Pauli-Totenkopf so blickdicht verschlossen, dass der Raum wie eine Zelle wirkte. Mondrian saß in der Mitte, wie auf dem heißen Stuhl einer Therapiegruppe. Neun Augenpaare, darunter ein jadegrünes, starrten ihn an.
    »Also, was sollte diese Blinde-Kuh-Nummer?«, fragte er mit gespielter Lockerheit.
    »Keinen Spaß gehabt? Wir wollen erst mal ‘ne Runde in Ruhe mit Ihnen reden.« Die Antwort kam von einem kantigen Glatzkopf, der einen blauschwarzen Stern auf den Schädel tätowiert hatte. »Und Sie müssen nicht gleich wissen, wo Sie uns wiederfinden können.«
    »Wir wissen ja noch gar nicht, wie Sie ticken.« Eine Frau mit Springerstiefeln fuhr sich über ihre stoppeligen Haare, die auf der einen Seite des Kopfes rot, auf der anderen grün gefärbt waren. »Sie könnten immerhin von den Bullen sein.«
    »Ist das nicht ein bisschen viel Paranoia?«, wandte Mondrian ein.
    »Nee, Alter, pure Lebenserfahrung«, sagte die Bubi-Stimme. Sie gehörte zu einem nervösen Bleichgesicht mit einer Armada an Ohrringen. »Wir haben schon die krassesten Erfahrungen mit der sogenannten Presse gemacht.«
    »Wobei denn?«, fragte Mondrian.
    »Bei Demos zum Beispiel. Da haben sich Zivilbullen als Fotoreporter ausgegeben und uns geknipst bis zum Abwinken.« Der Glatzkopf mit dem Stern kratzte sich an einer verschorften Stirnwunde. »Auf solche Sauereien haben wir keinen Bock mehr. Schließlich haben ein paar von uns schon in U-Haft gesessen, wegen gar nichts. Bloß weil wir in Heiligendamm am G-8-Zaun rumspaziert sind. Oder weil wir leer stehende Häuser besetzt haben.«
    »Und jetzt steht seit Tagen schon wieder so ‘n Lieferwagen vor der Tür, der nach Bullen stinkt«, warf ein Riese ein, der mehr als hundert Kilo wiegen mochte und einen Beagle auf seinem Schoß kraulte. Er saß vor einem offenbar geklauten Verkehrsschild: Unter das »STOP« war »eating animals« gekliert.
    »Worüber schreiben Sie überhaupt?«, fragte ein blondes Mädchen, porzellanene Haut, blaues Stirnband.
    »Kriminalfälle. Terrorismus. Manchmal auch Umweltskandale.« Mondrian hatte keine Lust, eine Best-of-Liste seiner Reportagen herunterzuspulen.
    Doch das blonde Mädchen ließ nicht locker. »Zum Beispiel?«
    »Na schön.« Vielleicht sollte er wenigstens einen Fall schildern, als eine Art vertrauensbildende Maßnahme. »Ich habe mal geholfen, einen Giftmüllschieber aus dem Verkehr zu ziehen.«
    Er erzählte, wie er vor Jahren einen Prozess gegen einen Frankfurter Unternehmer beobachtet hatte, dem vorgeworfen worden war, mit Arsen und Blei belastete Böden durch Bestechung auf öffentlichen Deponien entsorgt zu haben. Die Anklage stand von Anfang an auf wackligen Beinen, und er hatte mit wachsender Wut verfolgt, wie der gewichtige Rolex-Träger den unerfahrenen Staatsanwalt auflaufen ließ. In den Verhandlungspausen feixte der Selfmade-Millionär mit seinen prominenten Anwälten und Damen aus dem Milieu, die im Zuschauerraum die Show

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