Gruene Armee Fraktion
sie fragend an.
»Ach, ich war so blöd, mich von einem kommerziellen Aquarium anheuern zu lassen. Tropenfische betreuen, die Tiere in den Schaubecken versorgen. Den Besuchern wird für ihr Geld ja die heile Wasserwelt vorgegaukelt. Aber glauben Sie mir, hinter den Kulissen sieht es anders aus.«
»Stimmt es, dass schon jede Menge Fische beim Transport nach Europa sterben?«
Sie nickte. »Und die übrig gebliebenen sind so empfindlich, dass viele über Nacht in den Becken krepieren. Manche fressen sich gegenseitig, andere vertragen das künstlich gesalzene Wasser nicht und schwimmen irgendwann Kiel oben. Ich hab die Leichen morgens eingesammelt, bevor die ersten Leute kamen.«
»Wie lange hält man so was durch?«
»Zwei Jahre, dann habe ich den Job geschmissen. Danach hab ich eine Weile auf einem Frachter malocht und bin anschließend Sporttaucherin geworden. Jetzt begleite ich öfter Forschungsexpeditionen, manchmal auch ein Filmteam. Oder ich arbeite als Ausbilderin in einer diving school . Haben Sie mal getaucht?«
»Ja, ein paar Meter. Bis es richtig finster wurde.« Mondrian dachte mit Schrecken an einen Anfängerkurs auf den Balearen zurück, bei dem ihm unter Wasser die Maske verrutscht und der Sauerstoff weggeblieben war. »Bin gerade noch japsend nach oben gekommen. Nicht wirklich meine Welt.«
»Schade für Sie. Sie wühlen wohl lieber in trockenen Papierbergen?«
Mit einem spöttischen Grinsen nahm sie wieder einen Schluck von ihrer Caipirinha und leckte sich Zuckerkrümel von den Lippen.
»Sind die auch von Ihrer Mutter? Diese Angelina-Jolie-Teile?«
Er konnte nicht anders, er musste ihre Lippen einfach anstarren. Für einen Moment fürchtete er, sie würde explodieren. Aber sie brach in Lachen aus.
»Keine Ahnung, bestimmt nicht von meinem Vater. Von dem hab ich die Hakennase«, erwiderte sie feixend. Sie wirkte jetzt wie verwandelt, längst nicht mehr so misstrauisch wie beim OneWorld-Kongress. »Aber jetzt sind Sie mal dran, ein paar Geheimnisse zu verraten, Herr Reporter. Warum sind Sie eigentlich nichts Vernünftiges geworden, sondern Journalist?«
Mondrian strich sein blaues Leinenhemd glatt und nippte erneut an seinem Espresso.
»Warum nicht?« Er beschloss, ihr kleines Gypsy-Spiel zu kopieren, und zog seine Stirn absichtlich in Falten, als würde er gerade über einem schwierigen Text brüten. »Sehe ich etwa nicht aus wie ein Journalist? Nachdenklich, verantwortungsvoll, seriös?«
»Was? Mit Ihrer wilden Tolle«, zog sie ihn auf, »die Sie von Frank Schätzing geklaut haben?«
»Vom ›Schwarm‹? Dem Schwarm aller Frauen?«
»Mein Gott«, sagte sie mit einem Blick zum Nebentisch, wo ein junges Paar aufmerksam lauschte, »wenn man uns zuhört, könnte man denken, dass wir gerade Figuren für einen Film entwerfen.«
Mondrian, plötzlich ernst, strich seine silbergrauen Strähnen nach hinten. »Ich kann Ihnen schon verraten, warum ich Journalist geworden bin. Auch ich habe eine Leidenschaft. Nicht für die Natur wie Sie, sondern ich suche nach der Wahrheit. Ich will die Geschichte hinter einer Geschichte aufspüren. Und ich würde jetzt gern wissen: Warum plötzlich diese grüne Terrorgruppe? Warum diese Anschläge, diese Gewalt?«
»Vielleicht weil die Zeit reif dafür ist.« Sie setzte ihr Glas ab und schaute ihn direkt an. »Eigentlich sollten Sie besser wissen als ich, dass gewaltlose Proteste nichts bringen. Latsch-Demos mit Singsang und Blümchentransparenten werden doch nur belächelt. Die werden gar nicht wahrgenommen, wenn nicht irgendwas passiert. Zum Beispiel Steine fliegen. War das nicht eine Erfahrung, die Sie selbst gemacht haben, als die Studentenbewegung begann?«
»Nein, dafür war ich damals zu jung. 1968 hatte ich ja fast noch Eierschalen hinter den Ohren. Aber mein älterer Bruder war da mitten drin und hat oft davon erzählt. Wir haben zu dieser Zeit beide in Berlin gelebt …«
»War er an der Uni?«
»Ja, und ich noch Schüler. Aber auch ich hab mitgekriegt, wie schnell die Zeitungen über die Forderungen der Demonstranten berichteten, nachdem ein paar Wackersteine geschmissen worden waren. ›Berliner Argumente‹ hat man die Pflastersteine bald genannt. Schon verrückt, die Botschaften der Bewegung wurden umso ernster genommen, je mehr zersplitterte Scheiben und verletzte Polizisten es gab. Die Erfahrung war, so zynisch das klingt: Gewalt funktioniert.«
Sie blies eine Rauchwolke in die Luft und sagte vage: »Vielleicht gibt es jetzt ein paar Leute,
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