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Gruene Armee Fraktion

Gruene Armee Fraktion

Titel: Gruene Armee Fraktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Metzner
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grüne Untergrundgruppe, dachte er, während er eine bröckelnde Fassade hinter sich ließ. Noch ein paar Schritte weiter, und er entdeckte die Faust.
    Sie war an einen etwa hundert Jahre alten fünfstöckigen Altbau gesprüht. Die dunklen Linien, wild gezackt, prangten direkt neben dem Portal des mit Simsen und Absätzen verzierten Gebäudes, auf dessen ausgeblichener Fassade sich neben der Faust noch Comicfiguren und maskierte »Gangsta«-Gestalten tummelten. Auf einem Balkon wuchs eine Wiese von Sonnenblumen, auf einem anderen ein Kräuterbeet, von einem dritten hing die Anti-Atom-Fahne. Im obersten Stock, hinter einem Fenster, ein schwarzes Tuch. Gekreuzte Schwerter mit Totenkopf.
    Langsam ließ Mondrian seinen Blick noch einmal von unten nach oben wandern. Er erinnerte sich, dass er in der Nacht viele Treppenstufen hochgestiegen war, bevor ihm die Augenbinde abgenommen worden war. Ja, das konnte passen. Und auch die Strecke auf der Straße kam hin, vom Wagen zum Eingang. Schräg gegenüber, am anderen Bürgersteig, stand ein Telekom-Service- wagen. Er stellte sich daneben, holte sein Handy hervor und verglich das Foto auf dem Display mit der Fassade. Kein Zweifel, es war das Graffito, und das Bild musste ungefähr aus der Position des parkenden Vans geschossen worden sein.
    Hinter dem Steuer saß ein Mann mit Kopfhörern, der rhythmisch auf das Lenkrad klopfte. Mondrian fragte sich einen Moment, welche Musik er wohl hörte. Und dann, was er selbst jetzt tun sollte. Beobachten, wer hier ein und aus ging? Klingelschilder und Briefkästen studieren?
    Nein, er hatte keine Lust, vor dem Haus auf der Lauer zu liegen, bis andere Journalisten aufkreuzten. Vorsichtig öffnete er das schwere Portal, dessen Schloss defekt war, und betrat den Hausflur, in dem Stuckengel über zerbeulte Briefkästen mit Parolen gegen Werbung und staatliche Kontrolle wachten. Er stieg die abgetretenen Linoleumstufen hoch und passierte mehrere Eingänge mit Aufklebern von Wohngemeinschaften. An der Tür im obersten Stock, die zu der Wohnung mit der St.-Pauli-Fahne gehören musste, haftete ein Schild mit dem Namen »Mily Tanz«.
    Er lauschte kurz und drückte die Klingel. Kein Laut von innen. Als er den Türklopfer aus Messing gegen das Holz schlug, gab es einen dumpfen Hall. Die Tür öffnete sich einen Spalt, und im unbeleuchteten Flur, kaum erkennbar, stand ein Mann mit krausem Bart und halbdunklem Teint, in einen weiten Umhang gehüllt. Er zog seine Augenbrauen hoch, ohne etwas zu sagen.
    Mondrian verstand das als Frage. »Ich möchte Ricarda Walde sprechen.«
    »Wen sprechen? Gypsy?« Der Akzent hörte sich arabisch oder nordafrikanisch an.
    »Wer ist da?«, mischte sich eine helle Stimme aus dem Hintergrund ein, die Mondrian sofort wiedererkannte. Bubi kam mit verschlafenem Gesicht zur Tür und blinzelte Mondrian an. »Ach, du bist es, Alter. Wie hast du’s denn geschafft, uns zu finden?«
    Er wartete nicht auf eine Antwort. Offenbar wollte er sich möglichst schnell wieder hinlegen und sagte: »Moment mal, ich hol sie.«
    Mondrian trat eine Weile von einem Fuß auf den anderen, dann stand Ricarda Walde in der Tür, in ihren Augen ein Ausdruck, den er nicht deuten konnte. Es konnte Überraschung sein, ein Anflug von Ärger, aber auch etwas anderes.
    »Ich hab Ihnen was mitgebracht«, sagte er und reichte ihr das Teepaket. »Können wir noch mal reden? Richtig, meine ich?«
    »Wieso? Haben Sie bisher falsch geredet?« Spöttisch verzogene Lippen.
    Er ließ sich nicht aus der Spur bringen. »Draußen diesmal, auf neutralem Terrain?«
    Sie wog den Mate in den Händen. »Ist das jetzt ein Angebot, das ich nicht ablehnen kann?«
    »Genau. Auch wenn es bitter ist.« Er versuchte es mit einem Lächeln.
    Sie schien mit sich zu kämpfen, dann nickte sie zögernd. »Na gut, in einer Stunde, in einem dieser Lokale gegenüber der Flora. Wissen Sie, wo?«
    »Finde ich schon«, sagte er, »ich bin ja von der Fraktion Recherche.«
    Sie stutzte kurz und schloss die Tür.
    Der Telekom-Wagen stand noch auf der Straße, aber ohne den Musikliebhaber hinter dem Steuer. Der Fahrersitz war jetzt leer. Als Mondrian vorbeiging, öffnete sich für einen Augenblick die Hecktür. Durch den Spalt sah er zwei Männer, die mit Kopfhörern vor Konsolen hockten und auf eine Tastatur einhämmerten. Sobald sie ihn bemerkten, zogen sie die Tür hastig zu.
    Mondrian wählte Schirras Nummer.
    »Ja?« Kein Name, aber seine Stimme, unverkennbar.
    »Kleiner Tipp«, sagte

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