Gruene Armee Fraktion
Mondrian, »da steht so ein komischer Telekom-Wagen in der Schanze. So auffällig, dass selbst Leute wie ich stutzig werden. Den würde ich abziehen, ehe was passiert.«
»Ich weiß wieder mal nicht, wovon Sie sprechen, Herr Mondrian.«
»Ich schätze, dass da bald was draufgesprüht sein könnte. IMSI-Catcher oder so was.«
Er stellte sich vor, wie das Tom-Buhrow-Lächeln gerade auf einen polaren Wert gefror.
21
Schulterblatt, Hamburg
»Warum Gypsy?«
»Warum nicht?« Ricarda Walde setzte einen finsteren Blick auf und schob ihre Lockenmähne noch ein Stück weiter in das schmale Gesicht mit den hohen Wangenknochen. »Sehe ich denn nicht aus wie eine Zigeunerin? Dunkel, verschlagen, gefährlich?«
Sie saßen in einem der Lokale gegenüber der Roten Flora. Am späten Nachmittag drängten immer mehr Gäste zu den Tischen, die auf dem breiten Bürgersteig des Schulterblatts wie auf einer südländischen Piazza standen. Mondrian hatte zwei Plätze vor einem Restaurant am Rand erobert und gewartet, bis Ricarda Walde die Straße heruntergeschlendert kam, chilifarbener Poncho, schwarze, eng anliegende Hose. Jetzt hielten sie einen der letzten Flecken besetzt, den die schrägen Sonnenstrahlen über die Hausdächer hinweg noch erreichten. Ricarda Walde streifte ihre Sandalen aus geflochtenen Lederriemen ab, um ihre nackten Füße auf dem erhitzten Pflaster zu wärmen.
Mondrian konnte ihr künstlich verzogenes Gesicht nicht lesen. Er fragte sich, welche Maske sie gerade aufgesetzt hatte. Das Einzige, was er wirklich wusste, war, dass er sie zum Reden bringen musste, wenn er mehr über sie und die Gruppe erfahren wollte. Er entschloss sich, ihre Komödie mitzuspielen.
»Wie eine Zigeunerin?«, wiederholte er und schob die Sonnenbrille hoch in die Stirn. »Stimmt, ziemlich verwegen sehen Sie schon aus. Aber eher lateinamerikanisch.« Ihr Gesicht hatte ihn schon bei der ersten Begegnung an die mexikanische Schauspielerin Salma Hayek erinnert.
»Nicht schlecht. Halber Treffer.« Sie beugte sich zur Seite, damit die Kellnerin ein Glas mit Trinkhalm vor sie stellen konnte. »Das haben Sie bloß geraten, weil ich dieses Zeug bestellt habe.«
Sie nahm einen langen Schluck von der Virgin Caipirinha aus Limetten, braunem Zucker und Ginger Ale.
»Und ich dachte, Sie würden Cuba Libre nehmen«, frotzelte Mondrian, das Che-Poster im Sinn.
» No, señor , kein Alkohol um diese Zeit. Aber Sie haben schon recht. Ich habe tatsächlich südamerikanische Wurzeln.«
Sie verstummte und fragte dann nur noch halb spöttisch: »Interessiert Sie das, Herr Reporter?«
Er nickte.
Sie lehnte sich in dem geflochtenen Stuhl zurück und wurde ernst. »Mein Vater war Chilene, Gewerkschaftsführer unter Allende. Nach dem Putsch ist er nach Deutschland geflohen.«
In knappen Worten erzählte sie, wie ihr Vater in den sechziger Jahren für den Wahlsieg des sozialistischen Präsidenten gekämpft hatte. Wie er nach dem Militärputsch verhaftet und gefoltert worden war, bis ihm die Flucht aus einem berüchtigten Polizeigefängnis in Santiago gelang. Durch ein Netz ausländischer Unterstützer war er über Madrid nach Bremen gekommen, wo er Asyl erhielt und an der Universität neue Freunde und eine Stelle in der Bibliothek fand.
»Aber er ist dann nach wenigen Jahren gestorben, an den Spätfolgen der Haft.« Sie blickte einen Moment zur Seite. Ihre Hände zitterten leicht, als sie Tabak aus einem Beutel zu zupfen und eine Zigarette zu drehen begann.
Mondrian nippte an seinem doppelten Espresso und wartete, bis sie sich die Zigarette angezündet hatte. Dann sagte er: »Ihr Vater, das sind also Ihre roten Gene. Und die grünen?«
»Meine Mutter, meinen Sie? Die war Ozeanografin. Sie arbeitete an einem Institut für Meeresforschung in Bremerhaven. Dort haben sich meine Eltern bei einem Stadtteilfest kennengelernt. Meine Mutter hat mich schon als Kind immer ans Wasser mitgeschleppt, um Muscheln und kleines Viehzeug zu sammeln. Stundenlang hab ich Krebse im Schlick beobachtet und den Zugvögeln am Himmel nachgeschaut.«
Sie hob den Kopf und sah in den Himmel, wo sich die Wolkenschlieren orange zu färben begannen.
»Dann war es also Ihre Mutter, die Sie grün angefixt hat?«, fragte er, um sie am Reden zu halten.
» Claro , und natürlich wollte ich dann ebenfalls Ozeanforscherin werden. Deshalb habe ich Bio studiert, in Kiel. Doch dann bekam ich keine Stelle am Meer, sondern nur weit weg von der Küste. Einen echt perversen Job.«
Er sah
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