Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gruene Armee Fraktion

Gruene Armee Fraktion

Titel: Gruene Armee Fraktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Metzner
Vom Netzwerk:
schüchtern«, rief ihm Ricarda Walde ins Ohr und zog ihn zur Tanzfläche, wo nur dunkle Schemen zu erkennen waren.
    Anfangs wollte er sich sträuben, doch dann gab er den Widerstand auf und tauchte mit ihr ein in die zuckenden Schatten. Die ersten Bewegungen fühlten sich linkisch an, die Glieder wie eingerostet. Doch dann ließ er sich von den Bässen treiben, von den Trance-Klängen einlullen, von Ricarda Waldes Gesten führen. Fast sah es so aus, als probierte sie, ihn wie eine Marionette an unsichtbaren Fäden zu ziehen. Erst als sich der Schweiß der Tänzer endgültig mit dem Trockeneisnebel mischte und der DJ das Tempo wechselte, hielt sie inne und flüchtete nach draußen. Im Schein einer Laterne zündete sie sich eine Zigarette an und inhalierte tief. Mondrian beobachtete, wie sich ihre Brüste unter dem feuchten T-Shirt hoben und sich die Spitzen abzeichneten.
    »Haben Reporter auch Vornamen?«, fragte sie, während sie sich feine Schweißperlen von der Stirn strich.
    »Jonas«, sagte er ein bisschen außer Atem, nicht nur wegen des Tanzens.
    »Okay, Jonas, morgen machen wir eine Aktion. Wenn du willst, kannst du mitkommen. Treffen um acht, vor unserem Haus.«
    Sie legte ihm einen Finger auf den Mund, um ihm zu bedeuten, dass er nichts weiter fragen sollte.
    Seine Lippen schmeckten nach Salz.

22
    Gentechnik-Versuchsfeld, Müritz
     
    Der Telekom-Wagen war nicht mehr da. Trotzdem hatte Mondrian das Gefühl, dass er beobachtet wurde, als er seinen Audi langsam vor das Haus mit der Graffito-Faust rollen ließ und in eine Parklücke zwängte. Er blieb sitzen und spielte am Navi herum, als ob er etwas eingeben wollte. Aus den Augenwinkeln musterte er gleichzeitig die Straßenschlucht.
    Zwanzig Meter vor ihm lehnte ein Mann an einer Laterne, der in ein Handygespräch vertieft war. Oder wenigstens so tat. Im Gebäude gegenüber verschwand ein Gesicht hinter der Gardine, als er zu einem Fenster hochblickte. Zwei Häuser weiter drückte sich jemand in einen Hauseingang, halb verdeckt von einer aufgeschlagenen Zeitung. War das die Frau vom Nebentisch gestern? Oder fing er an, Gespenster zu sehen?
    Erste Regentropfen perlten auf die Frontscheibe. Das Wetter war umgeschlagen. Dunkelviolette Wolkenberge schleppten nasse Fahnen hinter sich her.
    Es fing gerade an, loszuprasseln, als ein Dutzend Gestalten aus dem Kommunehaus herausgerannt kamen, Kapuzen über den Köpfen. Der schmale Junge vorn erspähte ihn im Audi und riss eine Tür auf.
    »Könnte heiter werden heute«, rief er mit seiner Bubi-Stimme und warf Plastikjacken in den Wagen, »aber wir haben dir Klamotten mitgebracht. Übrigens, ich bin Speedy.«
    Er fläzte sich auf die Rückbank und deutete auf den Ausgemergelten mit dem Zopf, der sich neben ihm ins Polster sinken ließ. »Und der Herr hier ist Gandhi.«
    Vorn stieg Ricarda Walde ein, in einen blauen Regenumhang gehüllt, und zeigte auf den verbeulten Diesel, in den sich weitere Gestalten schoben. Der Rest, darunter die Blonde, der rot-grüne Stoppelkopf und der massige Riese, drängte in einen ausgemusterten Kleinlaster der Nationalen Volksarmee, der ein Stück weiter parkte. Die Auspuffe begannen, Rußwolken auszuspucken.
    »Also los«, sagte Ricarda Walde, »wir fahren ihnen nach.«
    Mondrian blieb dicht hinter dem Diesel. Erst schob sich die kleine Kolonne von Ampel zu Ampel durch den Morgenverkehr, dann kamen sie besser voran, als sie die Ausfallstraßen erreichten. Keiner sagte etwas, bis sich Speedy plötzlich von hinten meldete: »Ey, bevor’s richtig losgeht, die Handys aus.«
    Mondrian drückte auf die rote Taste und sah, wie das Display erlosch. Aber als er sein Gerät wegstecken wollte, nahm Speedy es ihm mit einer raschen Bewegung aus der Hand. Ehe er protestieren konnte, öffnete der Junge das Gehäuse und zog den Akku heraus.
    »Richtig aus, meine ich. Weißt du nicht, was die Bullen mit so ‘nem Ding anstellen können?«
    »Klar. Die Position catchen. Aber wohl kaum, wenn es keinen Saft hat.«
    »Da wäre ich mir nicht so sicher. Zum Beispiel können die dir ‘ne stille SMS schicken. Bemerkst du überhaupt nicht, nicht mal wenn du das Ding wieder anmachst. Damit haben sie Verbindungsdaten und später deinen Standort. Richtig clean bist du bloß, wenn kein Strom mehr drin ist. Oder du machst das Kartenspiel.«
    »Das Kartenspiel?«
    »Ja, Mann, so nennt das ein Kumpel von mir, der ein bisschen mit Pillen dealt. Der wechselt einfach dauernd die Prepaidkarten aus, manchmal auch noch die

Weitere Kostenlose Bücher