Gruene Armee Fraktion
arbeiteten und Funksprüche entgegennahmen. Auf dem Tisch in der Mitte lag eine Plastiktüte mit einer Spritze. An der Nadel klebte noch Blut.
»Die haben wir im Fluchtfahrzeug gefunden. Fällt dir dazu was ein?«
»Und ob.« Mondrian musste sofort an Gandhi denken. »So eine Pumpe hab ich gerade erst gesehen.«
»Bei dieser WG in Hamburg, hinter der du her bist?«
»Woher weißt du denn das?«
»Ich habe läuten hören, was du so treibst«, sagte Daffner, »deswegen frage ich dich ja. Traust du denen solche Aktionen zu?«
»Frag mich was Leichteres«, antwortete Mondrian langsam. »Manchmal ja. Da scheint alles zu passen, perfekt sogar, wie Puzzlestücke. Aber dann bin ich mir wieder unsicher, ob so ein chaotischer Haufen von Träumern und Drogensüchtigen dazu überhaupt fähig ist …«
»Sie könnten die Kleine mit Heroin für die Flucht narkotisiert haben.«
»Ich weiß nicht, ob ein Altjunkie wie Gandhi so was wuppen würde.«
»Hier ist noch mehr von dem Stoff.« Ein Ermittler, der ihr Gespräch mitgehört hatte, drehte seinen Laptop zu ihnen. »Das habe ich gerade auf einer linksradikalen Plattform gefunden.«
Ein Mädchen mit wirren braunen Haaren, vielleicht in einem Schuppen oder einer Scheune. Sie war an einen Balken gefesselt, die Arme zur Seite gebogen, die Handgelenke durch Stricke eingeschnitten, die Beine gespreizt. Die Augen schauten blicklos ins Leere; um ihren Hals hing ein Schild, das den nackten Oberkörper nur notdürftig bedeckte:
GEFANGENE DER GRÜNEN ARMEE FRAKTION. TAG 1
Aus dem Off traten Vermummte an sie heran, die ihr eine Binde um die Augen legten. Dann zoomte die Kamera auf Hände mit Chirurgenhandschuhen, die eine Spritze bereit machten. Ein Schwenk nach oben, zum Hals des Mädchens. Auf der hellen Haut richteten sich die winzigen Haare auf. Mit einem Ruck fuhr die Nadel hinein, schob sich tiefer und tiefer, suchte eine Vene, fand sie. Ganz langsam wurde die bräunliche Flüssigkeit aus dem Kolben gedrückt. Als die Nadel wieder herauskam, lief ein Blutstropfen aus dem frischen Einstich und kullerte hinunter, zwischen die Ansätze der kleinen Brüste, bis er unter dem Schild verschwand. Die letzten Zeilen darauf lauteten:
GORLEBEN SOLL LEBEN,
DANN WIRD AUCH ANNA-LENA LEBEN.
Ein leises Schluchzen des Mädchens, kaum hörbar, dann wurde der Bildschirm schwarz.
»Diese Schweine«, zischte Daffner. »Das dürfen die Eltern auf keinen Fall sehen. Sagt drüben Bescheid, dass sie von allen Geräten ferngehalten werden sollen.«
Einer seiner Mitarbeiter lief zu dem Haus, das von Gaffern und Reportern umlagert wurde. Aber es war offenbar zu spät. Möglicherweise hatten die Eltern selbst im Internet nach einer Botschaft der Kidnapper gesucht, oder ein TV-Sender hatte das Material sofort in seine News übernommen.
Ein untersetzter Mann in den späten Vierzigern, rote Flecken im Gesicht, das schüttere Haar ungeordnet, und eine Frau mit verweinten Augen traten in den Halbkreis von Mikrofonen und Kameras, der an ihrem Gartenzaun aufgebaut war.
»Als Eltern von Anna-Lena«, sagte der Mann mit stockender Stimme, »als Vater und Mutter von Anna-Lena … appellieren wir an die Entführer … Geben Sie uns unser Kind wieder! Beenden Sie diesen grausamen Wahnsinn! Lassen Sie unsere Tochter nicht leiden für etwas, für das sie in keiner Weise verantwortlich ist … Wir können über alle Fragen sprechen … Auch über finanzielle Forderungen verhandeln … Aber es ist ein Gebot der Menschlichkeit, sich nicht an einem unschuldigen Mädchen zu vergreifen. Nehmen Sie mich stattdessen als Geisel, oder …«
»Tun Sie ihr nichts zuleide, bitte!«, stieß die Frau hervor, ehe ihre Stimme versagte und sie das Gesicht in den Händen vergrub.
Ein Schrei auf der Straße. Am Rand des Pulks entstand ein Gerangel, Polizisten zerrten einen knochigen Mann zur Seite, der wild um sich schlug und etwas von »Öko-Fotze« rief.
Als die Menge zurückwich, sah Mondrian eine Frau auf dem Pflaster liegen. Er kannte sie. Maria. War sie von ihrem Hof hergekommen, weil sie von der Entführung gehört hatte und sich selbst ein Bild machen wollte? Sie bewegte sich nicht, blutete heftig aus einem Ohr und aus der Nase, als hätte sie einen Faustschlag ins Gesicht bekommen und wäre auf den Bordstein gestürzt. Offenbar war sie bewusstlos, ein Arm lag leblos über dem »X-tausendmal quer«-Sticker, der sie als Atomgegnerin auswies.
»Verdammt, das fehlt uns gerade noch, dass die Leute
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