Gruene Armee Fraktion
der Modechefin vielleicht. Bloß fehlten dazu noch ein paar Bausteine, außerdem irritierten ihn Gesichter aus der Kommune, die vor seinem inneren Auge erschienen und so wenig in dieses Bild passten. Je länger er darüber nachgrübelte, desto klarer wurde ihm, dass er dringend mehr Informationen brauchte. Daffner. Warum meldete sich der Kommissar nicht?
Seit gestern Abend hatte er versucht, ihn zu erreichen. Schließlich hatte Daffner schon in Berlin signalisiert, dass es etwas zu besprechen gebe. Immer wieder hatte Mondrian sein Handy und die Festnetznummer im BKA angewählt. Niemand hatte abgenommen, auch auf die Bitte um Rückruf hatte Daffner nicht reagiert. Das war sonst nicht seine Art. Mondrian kannte ihn lange genug, um zu ahnen, dass etwas passiert sein musste.
Noch einmal sprach er auf die Mailbox. Jetzt konnte er bloß noch warten. Der Cursor blinkte weiter, als wollte er ihm demonstrieren, wie die Zeit verstrich. Unruhig stand Mondrian auf, schaute aus dem Fenster in die Wolken, die über die Stadt zogen. Er überlegte, ob er zur Cafeteria spazieren und sich ein extra süßes Stück Kuchen gegen die Schreibblockade holen sollte.
Oder er würde sich eine andere Süßigkeit gönnen. Einen dieser alten Supertramp-Songs, die noch immer einen Ehrenplatz in seinen Dateien hatten.
»Dreamer« vielleicht.
Oder gleich den Schädel gegen die Wand hauen. Dorthin, wo es schon mehrere Flecken gab.
Ehe er sich entschieden hatte, schreckte er hoch. Das Telefon klingelte. Aber es war nicht Daffner, sondern Rolfes.
»Komm doch mal rüber«, sagte er schroff.
In seinem Büro trug der Cop immer noch das finstere Gesicht, das er schon am Ende der Konferenz aufgesetzt hatte.
»Das war nicht gerade hilfreich, was du über die dünne Beweislage gesagt hast«, nörgelte er. »Wir müssen aufpassen, dass wir nicht unsere eigene Geschichte abschießen. Eben hat Grosser angerufen. Wir sollen zu ihm hochkommen.«
»Warum?«
»Ich fürchte, er will mehr Einzelheiten wissen. Hast du was von deinem Mann im BKA gehört?«
»Nichts«, antwortete Mondrian.
Der Cop runzelte die Stirn, während sie zur Chefredaktion eilten.
»Ich erreiche ihn nicht«, sagte Mondrian, »und ich habe das Gefühl, dass da irgendwas stinkt.«
»Scheiße«, sagte Rolfes.
Als sie sich der Chefredaktion näherten, machten sie sich auf eine mürrische Miene gefasst. Grosser war gefürchtet für seine cholerischen Ausbrüche, wenn etwas nicht nach seinen Wünschen ging.
Stattdessen trat er ihnen bestens gelaunt entgegen. »Was schaut ihr so finster? Ein alter Bekannter von mir hat eben angerufen, ein Rechtsanwalt. Er vertritt einen der Festgenommenen.«
Er machte eine kleine Pause, um sie einen Augenblick zappeln zu lassen. Dann fuhr er fort: »Sein Mandant hat ein Geständnis abgelegt.«
Mit einem triumphierenden Grinsen gab er Mondrian einen Zettel mit einer Adresse. »Der Anwalt erwartet dich um sechzehn Uhr in seiner Kanzlei.«
34
Anwaltskanzlei, Eimsbüttel
Das Haus lag in Hamburg-Eimsbüttel, zurückgesetzt in einer ruhigen Seitenstraße. Mit dem abblätternden verblassten Anstrich an der Stuckfassade und dem verwilderten Vorgarten sah es leicht heruntergekommen aus. Am Zaun waren klapprige Fahrräder angekettet; neben dem bogenförmigen Portal befand sich ein unauffälliges Messingschild, auf dem nur »Anwaltskanzlei« stand. Mondrian klingelte. Einen Augenblick später schnarrte der Summer an der Tür.
Im Treppenhaus empfing ihn eine Dunkelheit, an die er sich erst gewöhnen musste. Als er die Stufen auf dem abgetretenen Teppich hochstieg, kam er an der Praxis einer Psychiaterin und an einem kleinen Verlag vorbei. Im Stockwerk darüber öffnete sich eine verzierte Glastür zu den Kanzleiräumen. Gedimmte Strahler warfen ihr Licht auf Ebenholzregale mit Bänden der »Neuen Juristischen Wochenschrift« und Sammlungen von Gerichtsentscheidungen, in deren Rücken goldene Jahreszahlen geprägt waren.
»Der Herr Rechtsanwalt empfängt um diese Zeit noch keine Mandanten.« Die junge Anwaltsgehilfin, schwarzes Kostüm und weiße Bluse, machte ein Gesicht, als wollte sie ihn gleich wieder wegschicken. »In welcher Sache sind Sie hier?«
Mondrian zögerte einen Augenblick. Er wusste nicht einmal, wen von den Festgenommenen der Anwalt betreute. Er entschied sich für die unverfänglichste Lösung. »Wegen der Razzia im Schanzenviertel.«
»Nehmen Sie bitte dort drüben Platz.«
Er versank fast in dem braunen Polstersessel im Nebenzimmer.
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