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Gruene Armee Fraktion

Gruene Armee Fraktion

Titel: Gruene Armee Fraktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Metzner
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In dem fensterlosen Raum mit dunkel gestrichenen Wänden stand eine Madonnenfigur aus Marmor, von Punktstrahlern beleuchtet wie in einem Museum. Hinter einer ornamentierten Schiebetür erklang ein Piano. Bach, vermutete Mondrian, der als Kind selbst Klavier gespielt hatte. Später war ihm das Üben endloser Läufe zu mühselig geworden, und er hatte den Unterricht geschmissen. Aber jetzt hörten sich die regelmäßigen Tonkaskaden angenehm an, wie perlende Wasserfälle. Mit einem Crescendo erreichten sie das wuchtige Finale. Ein Moment Pause, und die Schiebetür ging auf.
    Dr. Carlo Zambrotta, das merkte man spätestens jetzt, war ein Mann der Inszenierung. Der Mittvierziger, leicht übergewichtig, trug eine Stirnlocke, die ihm nicht zufällig das Aussehen eines Dirigenten gab. In seinem teuren italienischen Anzug und dem frisch gebügelten Hemd wirkte er, als hätte er sich für einen Bühnenauftritt gekleidet.
    »Wären Sie lieber Pianist geworden?«, scherzte Mondrian, als ihm der Anwalt überschwänglich wie einem alten Freund die Hand schüttelte.
    »Aber ja! Bloß lebt man leider nicht vom Spielen allein, sondern auch vom Brot. ›Panem et circenses‹, das wussten schon meine römischen Vorfahren«, antwortete Zambrotta, offenbar stolz, seine italienische Herkunft so elegant eingeführt zu haben. »Das Piano ist nur mein Hobby. Das Brot muss ich als Anwalt verdienen, mit der Schattenseite des Lebens.«
    Mit einer lässigen Geste bedeutete er Mondrian, in der Sitzecke seines Büros Platz zu nehmen. Auf dem antiken Tisch stand eine Leselampe, die warmes Licht nach unten strahlte.
    »Woher kennen Sie eigentlich meinen Boss?«, fragte Mondrian beiläufig.
    »Ach, eine uralte Geschichte. Ich bin ihm mal im Strafjustizgebäude begegnet, als ich eine Rotlichtgröße aus St. Pauli verteidigt habe. Er hat für seine Zeitung über den Prozess berichtet. Später habe ich ihm gelegentlich diskret Informationen über den Kiez gegeben. Mehrere meiner Mandanten sind aus dieser Szene, verstehen Sie?«
    Mondrian verstand. Obwohl er nicht sicher war, ob ein Anwalt einfach mal so über seine Mandanten plaudern sollte.
    »Und wen vertreten Sie jetzt aus der Gruppe im Schanzenviertel?«, fragte er.
    »Stefan Ahlers. Speedy, wie er sich nennt.«
    »Ziemlich anderes Milieu. Wie ist der denn zu Ihnen gekommen?«
    »Ursprünglich durch Urheberrechtsverfahren. Illegale Kopien aus dem Internet. Ich habe mehrfach Leute aus dem Chaos Computer Club vertreten, und eines Tages ist auch Stefan Ahlers bei mir aufgelaufen. Dann kamen noch Ermittlungen wegen Drogen dazu.«
    »Amphetamine?«
    » Sì! Diese üblen Aufputschpillen, die er immer nimmt. Daher auch sein Spitzname. Das Rauschgiftverfahren haben wir gegen eine Geldbuße vom Tisch gekriegt, nachdem er alles zugegeben hatte.«
    »Und jetzt hat er wieder ein Geständnis abgelegt?«, fragte Mondrian, leisen Zweifel in der Stimme. »Obwohl in seiner WG stapelweise Broschüren der Roten Hilfe rumlagen? Mit der dringenden Empfehlung, die Klappe zu halten, wenn man verhaftet worden ist?«
    »Ja, leider hat er Aussagen gemacht«, seufzte Zambrotta, »und er scheint der Einzige der Festgenommenen zu sein, der geredet und die Vorwürfe bestätigt hat. Soweit ich bisher weiß.«
    »Haben Sie ihn schon besucht? Haben Sie mit ihm gesprochen?«
    »Nein, das war eben das Problem.« Zambrotta verlagerte sein Gewicht und schlug die Hosenbeine mit den perfekten Bügelfalten übereinander. »Ich war gestern zunächst nicht erreichbar, aber nachdem meine Kanzlei die Nachricht von der Festnahme bekommen hatte, bin ich zum Untersuchungsgefängnis gefahren. Die Kontrollen dauerten ungewöhnlich lange, und als ich sie endlich hinter mir hatte, hieß es, er sei nicht mehr da. Ausgeflogen mit einem Helikopter. Aus Sicherheitsgründen, wie man mir sagte. Angeblich auf Betreiben des Innenministeriums.«
    »Aber als Verteidiger müssten Sie doch sofort Zugang zu ihm bekommen.«
    »Theoretisch ja.« In einer Geste der Hilflosigkeit hob Zambrotta die Arme und ließ sie dann wieder sinken. »In der Realität sieht das oft anders aus. In diesem Fall habe ich nur das Protokoll der Anhörung zugefaxt bekommen, nachdem sie bereits gelaufen war.«
    »Wann?«
    »Am Abend nach der Festnahme. Sie begann um einundzwanzig Uhr fünfzig, steht im Protokoll. Und dass Stefan Ahlers ordnungsgemäß über sein Recht zu schweigen belehrt worden sei. Aber er hat unterschrieben, dass er aussagen will.«
    Zambrotta zog einen Stapel

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