Gruene Armee Fraktion
Papiere zu sich und drehte ihn so, dass Mondrian einen Blick auf das oberste Blatt werfen konnte. Unter der Überschrift »Beschuldigtenvernehmung« und der Bemerkung »Vorgeführt« befand sich eine Stelle mit einem handschriftlichen Kürzel.
»Seine Unterschrift?«, fragte Mondrian.
Zambrotta nickte. »Ein bisschen krakelig. Kein Wunder, unter diesen Umständen. Aber der Schriftzug stimmt überein mit demjenigen am Schluss der Vernehmung, nach Mitternacht, wo er alles noch mal bestätigt hat.«
»Was bestätigt hat?«
»Dass es die Leute aus seiner Kommune waren, die die Anschläge begangen haben.«
Zambrotta schob den Papierstapel zu Mondrian hinüber. »Hier, siebzehn Seiten, sehen Sie selbst.«
Mondrian griff sich das oberste Blatt und begann zu lesen, was unter Speedys persönlichen Angaben stand.
Ich will umfassend und wahrheitsgemäß aussagen.
Zur Sache:
Ich räume ein, dass ich Mitglied der Grünen Armee Fraktion bin. Die Gruppe hat sich vor etwa vier Monaten im Schanzenviertel gebildet. Sie entstand durch Gespräche in linken Buchläden und in der Roten Flora, wo die meisten von uns verkehren. Gründungsmitglieder waren Ricarda Walde, Edda Kowalke, Alexander Wiegold und ich. Wir kannten uns von verschiedenen Öko-Initiativen. Die anderen sind später dazugestoßen. Wir alle sind der festen Überzeugung, dass die bisherige Umweltpolitik völlig versagt hat und dass die Atomkraft sofort gestoppt werden muss. Den Ausstiegsbeschluss der Regierung halten wir für eine Irreführung der Öffentlichkeit. Deswegen haben wir auf einem konspirativen Treffen mit Gleichgesinnten beschlossen, radikale Aktionen zu machen, um die Bevölkerung aufzurütteln. Von Anfang an bestand Einigkeit, dass dabei Gewalt eingesetzt werden muss.
Auf Vorhalt:
Es ist richtig, dass wir uns an der Roten Armee Fraktion orientiert haben. Wir haben in der Wohngemeinschaft Kommandoerklärungen und andere Schriften dieser Gruppe immer wieder studiert. Nicht alle stimmten mit deren Zielen überein, aber dennoch haben wir entschieden, unser Logo nach dem Vorbild der RAF zu gestalten. Ich selbst habe es an meinem Computer konzipiert.
Mondrian musste tief Luft holen. Für einen Moment dachte er daran, wie Speedy nach der »Feldbefreiung« die Buchstaben GAF an das Häuschen gesprüht hatte. Er griff zu einem weiteren Blatt.
Auf Frage:
Nach längeren Diskussionen kamen wir überein, zuerst eine Aktion gegen die GKSS in Geesthacht zu machen. Die Anlage ist nach unserer Überzeugung dafür verantwortlich, dass mehrere Kinder in der Elbmarsch an Krebs erkrankt sind. Das geht aus Unterlagen einer dort lebenden Mutter hervor, die wir mehrfach getroffen haben. Anschließend haben wir die Gewohnheiten eines leitenden Ingenieurs ausspioniert …
»Pardon.« Mit einer raschen Handbewegung nahm der Rechtsanwalt Mondrian das Protokoll aus der Hand. »Wir haben die geschäftliche Seite noch gar nicht besprochen. Ich meine die Modalitäten, unter denen ich Ihnen eine Kopie des Protokolls überlasse. Streng vertraulich, versteht sich.«
»Ich bin mir sicher«, sagte Mondrian diplomatisch, »dass wir eine Lösung finden.«
»Über welche, ähm, finanzielle Größenordnung reden wir? Machen Sie einen Vorschlag.«
»Das würde ich gern meinem Chefredakteur überlassen. Er wird mit Ihnen bestimmt eine zufriedenstellende Vereinbarung treffen, falls wir das Material gebrauchen können.«
»Sie werden verstehen, dass ich das Protokoll vorher nicht aus der Hand geben kann.«
»Und Sie werden verstehen, dass wir nicht die Katze im Sack kaufen können. Sie müssen mir schon etwas mehr zeigen.«
Zambrotta tat so, als müsste er überlegen. Aber Mondrian war sich sicher, dass er sich vorher alles genau zurechtgelegt hatte.
»Na gut«, sagte Zambrotta schließlich scheinbar resignierend, »dann lasse ich Sie noch ein paar Kostproben lesen.«
Er schob Blatt sieben der Vernehmung über den Tisch.
Mondrian überflog die Sätze unter der Überschrift »Komplex ICE«.
Zwei Wochen vor dem Anschlag haben wir die Fahrzeiten der Züge erkundet. Von unauffälligen Spaziergängen wussten wir, dass es über dem Landrückentunnel Forstarbeiten gab. Wir beschlossen, gefällte Baumstämme zum nördlichen Eingang zu transportieren, um sie dann zu einem Prellbock aufzutürmen.
Auf Frage:
Wir wussten, dass wir das nicht alleine schaffen konnten, zumindest nicht im Intervall zwischen zwei Zügen. Deshalb haben wir uns Helfer ausgesucht. Wir
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