Grüne Magie
schüttelte kummervoll den Kopf. »Ich fürchte, so einfach ist Lodermulch nicht zu besänftigen. Vielleicht solltest du ihm in einer Geste der Freundschaft seine Münzen zurückgeben…«
Davon wollte Cugel nichts wissen. »Hier geht’s ums Prinzip. Lodermulch hat meinen wertvollsten Besitz in Frage gestellt: meine Ehre.«
»Deine festen Grundsätze sind lobenswert«, erwiderte Garstang, »und ohne Zweifel hat sich Lodermulch sehr taktlos verhalten. Doch um der guten Kameradschaft willen… Nein? Nun, ich will dir nicht weiter zusetzen. Ach – ständig kommt es zu kleinen Ärgernissen.« Er schüttelte den Kopf und ging.
Cugel steckte sowohl seinen Gewinn ein als auch die Würfel, die ihm Lodermulch aus dem Ärmel geschüttelt hatte. »Ein peinlicher Zwischenfall«, wandte er sich an Voynod. »Dieser Lodermulch ist wirklich ein Rüpel! Er hat alle Leute vor den Kopf gestoßen, und nun will keiner mehr spielen.«
»Vielleicht liegt das daran, weil sich bereits das ganze Geld in deinen Taschen befindet«, meinte Voynod.
Cugel zählte die Münzen, die er gewonnen hatte, und er gab sich überrascht. »Ich hätte gar nicht gedacht, daß eine so große Summe zusammenkam! Wie wär’s, wenn du das Gold hier an dich nimmst und mir damit die Mühe ersparst, es mit mir zu schleppen?«
Voynod war einverstanden, und ein Teil des Gewinns wechselte den Besitzer.
Kurze Zeit später, während das Floß noch ruhig in der trägen Strömung trieb, begann das Licht der Sonne bedrohlich zu flackern. Ein purpurner Schleier schien für einige Sekunden ihren Glanz zu verdunkeln und verflüchtigte sich dann wieder. Einige der Pilger gerieten außer sich, eilten hin und her und riefen: »Die Sonne erlischt! Bereitet euch auf die Kalte Nacht vor!«
Doch Garstang hob beruhigend die Hand. »Habt keine Furcht! Das Flackern hat aufgehört, und die Sonne strahlt wie zuvor!«
»Denkt doch einmal nach!« forderte Subucule seine Gefährten ernst auf. »Würde Gilfig etwa eine solche Katastrophe zulassen, während wir auf dem Weg sind, um beim Schwarzen Obelisken an den Weiheritualen teilzunehmen?«
Daraufhin legte sich die Aufregung wieder, was jedoch nichts daran änderte, daß jeder der Reisenden eine ganz persönliche Erklärung für das seltsame Ereignis hatte. Der Lokutor Vitz sah daran eine Analogie zur vorübergehenden Beeinträchtigung der Sehkraft, wie sie von heftigem Zwinkern hervorgerufen werde. Voynod hingegen erklärte: »Wenn in Erze Damath alles gutgeht, werde ich mich während der nächsten vier Jahre meines Lebens damit befassen, die Leuchtkraft der Sonne wiederherzustellen!« Lodermulch meinte nur heiser, wenn es nach ihm ginge, könne die Sonne ruhig dunkel werden; und er würde sich freuen zu erleben, wie sich die Pilger einen Weg durch die Kalte Nacht tasteten, um den Obelisken zu erreichen.
Doch die Sonne schien wie zuvor. Das Floß glitt über den breiten Scamanderstrom, dessen Ufer nun so niedrig und kahl waren, daß sie nur als schmale Linien in der Ferne beobachtet werden konnten. Der Tag verstrich, und der glühende Ball schien im Fluß zu versinken. Ein kastanienbrauner Schimmer entstand am Horizont, trübte sich rasch und wich dem Zwielicht der Abenddämmerung.
In jenem Halbdunkel wurde ein Feuer entzündet, und die Pilger hockten sich davor nieder und nahmen eine Mahlzeit ein. Bei den Gesprächen ging es erneut um das Flackern der Sonne, und einige Leute gaben sich eschatologischen Spekulationen hin. Subucule schrieb alle Verantwortungen für Leben, Tod, Zukunft und Vergangenheit allein Gilfig zu. Haxt erklärte jedoch, er würde sich weitaus besser fühlen, wenn Gilfig bisher eine kundigere Kontrolle über das offenbart hätte, was die Welt bewegte. Eine Zeitlang wurden die Diskussionen ziemlich erregt geführt. Subucule warf Haxt Oberflächlichkeit vor, und Haxt wiederum machte Gebrauch von solchen Worten wie ›Leichtgläubigkeit‹ und ›blindes Vertrauen‹ Garstang griff ein und meinte, bisher seien noch nicht alle Fakten bekannt, und die Weihe-Riten am Schwarzen Obelisken könnten zu einer Klärung der Situation führen.
Am nächsten Morgen sahen sie voraus ein großes Wehr: Dutzende von dicken Pfählen bildeten eine Barriere, die die Schiffahrt auf dem Fluß behinderte. Es gab nur einen Durchlaß, und selbst der konnte mit einer schweren eisernen
Kette abgeriegelt werden. Die Pilger ließen das Floß ganz dicht an die Lücke herantreiben, und dann warfen sie den Stein über Bord, der als Anker
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