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Grüne Magie

Grüne Magie

Titel: Grüne Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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mit einem ganz bestimmten Informationsgehalt zusammenfinden mochten. Während dieser Zeit veränderten sich sowohl die Augen Howard Fairs als auch seine Hirnstruktur. Nur auf diese Weise war er dazu imstande, die vielen neuen Farben zu erkennen, ohne die die Muster der Bedeutungsflocken sinnlos blieben.
    Und das alles war erst der Beginn. Vierzig Jahre lang befaßte sich Fair mit jenen Flocken, von denen es fast eine Million gab. Im Verlauf weiterer vierzig Jahre erfuhr er den Umgang mit den einfachen Mitteilungsstrukturen und ihren Veränderungen, und noch einmal vier Jahrzehnte dauerte es, bis er die Parallelen und Winkelanordnungen und Modifikationen in bezug auf die Leuchtkrafttransformationen zu interpretieren verstand. Anschließend machte man ihn auch mit den ersten komplizierteren Mustern vertraut, die ganze Bedeutungsketten übermittelten.
    Nach dieser Phase konnte er seine Studien fortsetzen, ohne auf die Code-Sprache zurückgreifen zu müssen, und dadurch machte er schnellere Fortschritte. Zwanzig Jahre später fiel es ihm nicht mehr schwer, komplexe Botschaftsmatrizen zu verstehen, und das Lernprogramm erweiterte sich. Er schwebte über den Bereich mit den Rautenmustern, auf denen sich noch immer die Fußspuren des Golems zeigten. Er schwitzte vor Verlegenheit, als er endlich im ganzen Ausmaß begriff, was er damals mit seiner sturen Entschlossenheit angerichtet hatte.
    Und so vergingen die Jahre. Howard Fair lernte so viel von der grünen Magie, wie sein Hirn aufzunehmen vermochte.
    Er erforschte einen Großteil der grünen Sphäre, und dabei fand er derart viele prächtige Dinge, daß er schon fürchtete, ein solches Ausmaß an Entzücken könne ihn überschnappen lassen. Er schmeckte und hörte, er fühlte und spürte, und alle seine Sinne waren mindestens hundertmal empfindlicher als vorher. Für die Ernährung gab es tausend verschiedene Möglichkeiten. Man brauchte einfach nur rosafarbene Eier zur Hand zu nehmen, die dann zerplatzten und ein warmes und süß duftendes Gas freisetzten, das den ganzen Körper umhüllte. Oder man lief durch den Regen aus herb riechenden Metallkristallen. Oder man stillte Hunger und Durst, indem man sich auf das richtige Symbol konzentrierte.
    Das Heimweh nach der Erde kam und ging. Manchmal empfand Fair die Sehnsucht nach seiner alten Heimat als geradezu unerträglich, und bei solchen Gelegenheiten spielte er mit dem Gedanken, alles aufzugeben, was er in Erfahrung gebracht hatte, auch seine Hoffnungen auf eine glorreiche Zukunft. Dann wieder war er ganz hingerissen von der Herrlichkeit der grünen Sphäre, was dazu führte, daß ihm die Vorstellung einer vorzeitigen Rückkehr zur Erde wie eine Todesdrohung erschien.
    In einzelnen Abschnitten, die so langsam und subtil aufeinander folgten, daß er die Unterschiede zwischen ihnen gar nicht bemerkte, lernte er die grüne Magie.
    Doch die neuen Fähigkeiten erweckten keinen Stolz in ihm: Zwischen seiner linkischen Ungeschicktheit und der poetischen Eleganz der Geister verblieb ein gewaltiger Unterschied – und Fair war sich seiner wesensmäßigen Unterlegenheit nun weitaus bewußter als in seinem vorherigen Zustand. Schlimmer noch: Selbst die größten Anstrengungen, seine Techniken zu verbessern, erbrachten nicht den ersehnten Erfolg, und wenn er manchmal erlebte, wie einer der Geister aus purer Freude eine improvisierte Vorstellung seiner Kunst gab und er sie mit seinen eigenen Bemühungen verglich, so fühlte er sich beschämt und kam sich wie ein Versager vor.
    Je länger er in der grünen Sphäre verblieb, desto stärker wurde der Eindruck seiner Unbeholfenheit, und nach einer Weile sehnte er sich nach dem einfacheren Ambiente auf der Erde. Dort konnte er sicher sein, daß seine Bemühungen nicht sofort als gewöhnlich und schlicht auffielen. Gelegentlich sah er den Geistern dabei zu, wie sie (in den für sie üblichen ätherischen Manifestationen) inmitten der Perlenblätter tanzten oder als glänzende und anmutige Schemen durch den Wald aus rosafarbenen Spiralen huschten. Doch er konnte den enormen Unterschied zwischen ihrer Ausdruckskraft und seiner ungelenken Plumpheit nicht ertragen und wandte sich rasch ab. Mit jeder verstreichenden Stunde verringerte sich sein Selbstrespekt, und anstatt Stolz auf seine unleugbaren Lernerfolge zu empfinden, sehnte er sich kummervoll nach dem, was er nicht war und auch niemals werden konnte. Während der ersten hundert Jahre studierte er mit der Begeisterung des Unwissenden, und

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