Grüne Schnüre mit Apfelgeschmack (German Edition)
Strumpfhose zum Sommerrock sähe schräg aus und es wären ja nur ein paar Minuten zu laufen.
Warum hatte ich mich darauf eingelassen? In normalen Klamotten würde ich mich erheblich sicherer fühlen und die Chance sich eine Blasenentzündung zu fangen wäre auch geringer. Nun weigerte sich jeder Faser meines Körpers das Café zu betreten. Was, wenn ich ausgerechnet jetzt auf Tim stoße?
„Du siehst wirklich, wirklich super aus“, wiederholt Ida und sieht mich flehend an.
„Also gut, gehen wir rein.“
Ida zieht mich schnell hinter sich her, bevor ich es mir anders überlegen kann.
Nun betrete ich also die Welt die mir vorher verschlossen war. Das Musikcafé ist sozusagen die nächste Stufe zum Erwachsenwerden. Nie hätten wir uns getraut einfach so alleine hier aufzutauchen. Ein ungeschriebenes Gesetz besagt, dass alle Leute der unteren Jahrgangsstufen in die Eisdiele, zu Starbucks oder sonst wohin zu gehen haben. Das Musikcafé, oder einfach „MC“ wie wir Schüler es nennen, ist den Älteren vorbestimmt.
Und nun betrete ich, Paula Riester, Dreizehn Jahre, Schülerin der siebten Klasse, in einem viel zu kurzen und engen Rock mit zugekleisterten Augenwimpern, das unbekannte Gebiet.
Eine hässliche, unscheinbare Betontreppe führt zum Kellerlokal in einem alten Gebäude. Ein Schild mit kleinem Pfeil weist den Weg zur Tür. Hier hin verirren sich nur Schüler aus dem Bermudadreieck, den drei umliegenden Schulen der Umgebung.
Ich weiß nicht, was ich genau erwartet habe, aber diese heruntergekommene Kaschemme sprengt meine ganze Erwartung. An den renovierungsbedürftigen, orange farbenden Wänden hängen alte Schwarzweiß Fotografien hinter Glas von Rocklegenden wie Queen, Rolling Stones und einer Gruppe die Ramones heisst und von der ich noch nie etwas gehört habe. Rote, zerschlissene Kunstleder Sitzecken gruppieren sich um runde, schwarze Hochglanztische, deren Oberflächen so zerkratzt sind, dass man vermuten könnte, Mäuse auf Schlittschuhen würden nach Feierabend hier ihre Runden drehen.
Beim Betreten des Raumes schlägt uns sofort ein sympathischer Lärmpegel entgegen. Es ist rappelvoll, niemand achtet auf uns, keiner zeigt mit dem Finger auf uns und ruft, „was wollen die denn hier, das sind ja noch Kinder“ oder so. Ich entspanne mich und scanne die Umgebung.
Laura sitzt an der Theke und schaut drei älteren Jungen beim Darten zu. Vermutlich ist einer davon ihr Freund, denn er nippt zwischen den Würfen an ihrer Cola und flüstert ihr jetzt etwas ins Ohr. Laura wirft ihre schwarze Mähne nach hinten und lacht schrill. Ob Jungs auf sowas stehen?
„Da hinten sind sie. Los komm schon.“ Ohne meine Antwort abzuwarten steuert Ida zielstrebig auf die Gruppe zu. Ich lasse ihr einen kleinen Vorsprung und versuche so lässig wie möglich hinterher zu schlendern.
„Schön, dass ihr es geschafft habt“, flötet Laura. Soviel Höflichkeit hätte ich ihr gar nicht zugetraut. Sie scheint sich ehrlich zu freuen. Knigge-gerecht stellt sie uns ihren Freunden vor. „Louisa kennt ihr ja sicher vom Sehen, sie ist in der 8c und das sind Alex, mein Freund, Levin und Nils. Paula und Ida sind in meiner Klasse.“
Alex streckt uns lässig die Hand entgegen. „Hi, cool, dass ihr da seid.“ Die anderen beiden Jungs geben uns ebenfalls die Hand, Louisa lässt nur ein müdes „Hi von sich vernehmen. Sie ist könnte Lauras Schwester sein, wenn auch in Blond gefärbt. Man kann ihren dunklen Haaransatz deutlich erkennen. Das sieht zwar etwas dämlich aus, aber ihr Haarschnitt ist echt hipp.
Ich trage die gleiche Frisur, oder eher Nicht-Frisur seit dem Kindergarten: Gleichlang, glatt, vorwiegend Zopf, langweiliger blonder Haarton, Nuance Strassenköter. Ich bin noch nie auf die Idee gekommen meine Haare zu verändern, geschweige denn zu färben. Vor zwei Jahren habe ich sie um ganze fünfzehn Zentimeter kürzen lassen. Das war haartechnisch bisher meine mutigste Aktion, die, bis auf meiner Mutter, niemanden aufgefallen ist. Alle fünf bis sechs Monate lasse ich die Spitzen in „Tonis Haarsalon“ nachschneiden und benutze regelmäßig eine Kur gegen fettige Haare. In der letzten Zeit sind sie ständig strähnig. „Pubertät“, sagt Mama. Ich hasse dieses Wort, aber noch mehr den Zustand, der Haare plötzlich jeden Tag fettig werden lässt und Pickel mit Gewalt durch die Haut drückt.
Wenn ich mich so umblicke, bin ich wirklich eine der wenigen ohne echte Frisur. Ida verändert sich laufend auf dem Kopf. Im
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