Grüne Schnüre mit Apfelgeschmack (German Edition)
gekleidet bin, sondern lediglich zu meinem grell pinken Tunikaoberteil eine Stretchjeans kombiniert habe, übergehe ich die Spitze. Die Zeiten, in denen man mir mein Outfit vorschreibt, sind endgültig vorbei.
„Tschüss Mama, Frau Kaiser bringt uns später nach Hause.“ Schnell schiebe ich Ida aus dem Zimmer und lasse meine Mutter einfach stehen.
„Du hättest dich aber wirklich ein bisschen festlicher anziehen können“, kichert Ida draußen.
„Hör bloß auf, meine Mutter würde mir am liebsten immer noch jeden Morgen die Klamotten raus legen und mich eigenhändig anziehen.“
„Wie? Putzt sie dir etwa nicht mehr die Zähne nach und legt dir abends das Nachthemd zurecht?“
Ida spielt auf die übertriebene Betüddelung meiner Mutter an. Und es stimmt, meine Mutter hat mich nicht gerade sehr selbstständig erzogen. Erst als ich entdeckte, dass meine Freundinnen längst eigenmächtig ihre Klamotten aussuchten, rebellierte ich gegen die Kleiderordnung meiner Mutter. Meine Zähne putzte sie eisern, zweimal täglich, ohne Duldung eines Widerspruches, die gesamte Grundschulzeit nach. Es war viel Überzeugungskraft und Mundsperre nötig, bis sie mir schließlich feierlich die Bürste zur Alleinherrschaft übergab, nicht ohne mir immer wieder einzubläuen, dass ich mich ja nicht wagen sollte auch nur ein klitzekleines Kariesloch in die weiße Pracht zu schnuckern. Ich habe die Drohung beherzt, schon allein damit die Fummelei in meinem Mund aufhörte. Meine Kauleiste ist einwandfrei.
Wir machen uns auf dem Weg zur Haltestelle. „So ganz wohl fühl ich mich nicht bei der Aktion. Hast du Nina Bescheid gegeben?“
Ida hatte die unangenehme Aufgabe, Nina unsere Planänderung mitzuteilen, übernommen.
„Ja, sie ist nicht sauer. Wünscht uns viel Spaß. Ich habe ihr natürlich von Levin erzählt und dass ich da unmöglich nicht hingehen kann. Sie wird ihrer Mutter verklickern, dass wir auf dem Geburtstag meiner Tante dringend als Hilfskellner einspringen mussten, weil Personal vom Catering Service ausgefallen ist.“
„Du bist vieleicht ausgekocht.“
„Schwieriger war es meine Mutter abzuwimmeln. Sie wollte dich unbedingt abholen und uns gemeinsam zur Stadthalle fahren. Erst als ich ranzig wurde, hat sie locker gelassen und mich bei dir abgesetzt.“ Spöttisch fügt sie hinzu, „sie macht jetzt einen auf Ich-interessiere-mich-so-für-dich.“
Levin wohnt in einer der nobleren Wohngegenden in Innenstadtnähe.
Ida pfeift beeindruckt und klingelt. „Nicht schlecht, Herr Specht, ganz schönes Bonzenhaus.“
„Ja?“, schallt Levins Stimme durch die Gegensprechanlage.
„Wir sind`s“, flötet Ida und wirft albern Luftküsse Richtung Tür. Gut, dass wenigstens keine Kamera installiert ist. Der Türöffner surrt und wir betreten einen langen Marmorgefliesten Flur, der zur weißen Hochglanzküche führt.
Louisa und die besagte Wülstlippen-Judith sitzen bereits mit Nils, Alex, Levin und zwei anderen Jungs an der langen Küchentheke und nippen an ihren Gläsern. Laura verteilt Knabberkram auf große Teller, unterbricht ihre Aktion und begrüßt uns mit Küsschen rechts und links. Levins Kopf steckt im Kühlschrank. „Noch jemand ohne Versorgung? Wer braucht was zu trinken?“ Als er sich zu uns umdreht, lächelt er verschmitzt. „Hi, ihr habt es also doch geschafft.“
Meine ich es nur oder versucht er mich gerade mit seinen blauen Augen zu hypnotisieren? Irritiert wende ich mich ab.
„Wo können wir unsere Jacken hinhängen?“ Ida ist bester Laune und angelt sich ein paar Salzstangen von Lauras Teller.
„Schmeißt sie auf den Stapel im Flur. Wir gehen nach unten.“ Damit drückt Levin mir zwei Apfelsaftflaschen in den Arm und schaut mir dabei erneut tief in die Augen.
„Abgefahren!“ Mir bleibt die Spuck weg. Levins Reich besteht aus einem riesigen gefliestem Raum im Keller, in dessen Mitte sich ein, mit rotem Teppichboden ausgelegtes, Podest mit einladender Sofaecke befindet.
„War mal unser Schwimmbad. Aber keiner ist drin geschwommen, also haben wir den Pool stillgelegt und ich bin hier runter gezogen. Meine Schlafcouch befindet sich also direkt über dem Meer“, lacht er. „Nein, nein, keine Panik. Kein Wasser mehr unter uns. Alles ganz stabil.“
„Los komm wir sichern uns die besten Plätze“, Laura hackt sich freundschaftlich bei uns unter und zieht uns zum Sofa. „Ich finde es richtig cool, dass wir jetzt befreundet sind. In der Klasse bin ich noch nicht so richtig geerdet. Habe schon ziemlich
Weitere Kostenlose Bücher