Grüne Schnüre mit Apfelgeschmack (German Edition)
ich singe für mein Leben gern. Wir Mädels veranstalten oft regelrechte Orgien, bei denen wir uns die Seele aus den Leibern trällern. Vor meinen Freundinnen ist mir nichts peinlich. Jedoch vor Levin und den anderen Jungs singen zu müssen, lässt mir schon jetzt die Schamesröte ins Gesicht steigen. Die Wahrheit ist nämlich, ich verfüge über keinen glockenklaren Sopran wie Nina, sondern habe eine furchtbare Brummstimme.
In der dritten Klasse haben wir einmal für die Einschulung der I-Dötzchen ein kleines Musical eingeübt. Damals war mir nicht klar, dass es sich nicht um eine Auszeichnung handelte, dass Xylophon übernehmen zu dürfen. Während ich mit vier Jungs aus der Klasse, ebenfalls Brummer übelster Sorte, das kleine Orchester vor der Bühne bildete und lediglich an zwei Stellen ein paar Töne auf den Klangstäben schlagen durfte, schnupperten die anderen Mädchen, singend und in tollen Kostümen, Bühnenluft. Wahrscheinlich löste das ein Trauma in mir aus. Ich habe nie wieder freiwillig öffentlich gesungen. Nina und Ida meinen zwar immer, meine Stimme wäre ganz okay, aber ich glaube, das sagen sie nur um mir nicht wehzutun.
„Oh ja, lasst uns Girls versus Boys singen.“ Laura ist Feuer und Flamme, springt auf, sucht die entsprechende DVD raus und greift direkt zum Mikro.
„Wer will anfangen?“ Fragend schwenkt Levin die Mikrophone.
Ich kauere mich unauffällig in das Sofapolster, vielleicht geht der Kelch an mir vorbei. „Wir singen alle zusammen“, bestimmt Laura. „Kommt Mädels, denen zeigen wir es.“
In einer Gruppe von fünf Mädchen fällt es nicht auf, wenn ich nur leise mitsumme. Um nicht als Spielverderber zu gelten, singe ich die erste Runde Sugababes mit, bei der mehr gegackert und gekichert als gesungen wird. Die Jungs punkten mit einem Song von Boyzone. Anschließend singen Judith und Laura gegen Alex und Lukas und ich lasse Louisa gerne den Vortritt mit Ida gegen Levin und Nick zu singen.
Irgendwann hat mich das Singstarfieber dann doch gepackt. Ich lasse mich von Ida zu einem Duett der Pussycatdolls breitschlagen. Wir gewinnen haushoch gegen Nils und Alex. Ich habe Blut geleckt, vergesse die Brummstimme und habe einfach Spaß.
„Lass uns mal eine kleine Challenge mit gemischtem Doppel machen. Wer gewinnt, darf weiter machen, das Verliererteam scheidet aus“, schlägt Laura vor, kritzelt Namen auf kleine Zettel und wirft sie in zwei Schalen. Eine Schale für die Mädels, eine für die Jungs. Ich darf als erste ziehen. Laura reißt mir den Zettel aus der Hand, bevor ich selber einen Blick drauf werfen kann. „Levin“, liest sie.
Ich werfe Ida einen verstohlenen Blick zu. Sie reagiert nicht, schaut demonstrativ in eine andere Richtung.
Nach der Auslosung starten Alex und Judith gegen Ida und Nick und gewinnen. Dann sind Louisa und Lukas an der Reihe, die gegen Laura und Nils keinerlei Chance haben. Laura hat eine tolle Stimme, wenn nicht ihre furchtbare englische Aussprache wäre, scheint aber niemanden, außer mir, aufzufallen. Schließlich sind Levin und ich an der Reihe. Laura und Nils stellen sich erneut als Gegner zur Verfügung.
Das Duell muss wegen Kehlkopfnot und Lachattacken abgebrochen werden. Levin quietscht die hohen Töne von Back for Good von Take That nur noch und hält sich den Bauch vor Lachen. Ich bekomme ebenfalls keine Luft mehr von der Kicherei. Levin nimmt mich freundschaftlich in den Arm, klopft sich lachend auf die Schenkel und bettelt um ein anderes Lied. Wir wählen Maxi Priest mit „Close to you“, ein altes Lied, was ich sehr mag und mit Ida und Nina schon tausendmal gesungen habe. Mittlerweile sind meine Hemmungen wie weggeblasen, ich liebe Singstar. Swingend bewege ich mich im Takt der Musik und habe nichts dagegen, dass Levin meine Hüften umfasst und mich ganz eng an sich und das Mikrophon zieht. Ich schließe zwischendurch die Augen, konzentriere mich auf den Beat, singe den Text auswendig mit und komme Levin sehr, sehr nah, streife seine Wange. Ich könnte ewig so weitersingen. Beim Refrain rückt er kurz ab, schaut mir tief in die Augen, es scheint, als würde er mich meinen - I just wanna be closed to you. Anschließend zieht er mich noch einen Tick näher zu sich heran. Als die letzten Takte des Songs verklingen, klatschen alle begeistert in die Hände. Ich öffne die Augen.
„Wir sind ein tolles Team“, sagt er. Wieder dieser intensive Blick. Warum werden meine Knie weich? Klopft mein Herz vom Singen? Irritiert suche ich den
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