Grüne Tomaten: Roman (German Edition)
Zeug, dass sie mit grässlichen Magenschmerzen ins Krankenhaus gebracht werden musste, und man operierte sie sogar zu Untersuchungszwecken. Sie sagte, der Doktor habe ihre inneren Organe inspiziert und die Leber rausgenommen, um sie genauer zu betrachten. Da sei sie ihm aus der Hand gefallen und vier- oder fünfmal vom Boden hochgehüpft, ehe sie eingefangen werden konnte. Mrs. Adcock meint, aus diesem Grund habe sie seither schlimme Rückenschmerzen.«
»Oh Mrs. Threadgoode, das glauben Sie doch nicht im Ernst?«
»Nun, das hat sie neulich beim Dinner erzählt.«
»Sie hat’s erfunden. Die Leber ist doch im Körper festgewachsen.«
»Vielleicht hat Mrs. Adcock sie mit einer Niere oder sonst was verwechselt. Jedenfalls würde ich an Ihrer Stelle kein rohes Zeug mehr essen.«
»Okay, Mrs. Threadgoode, wenn Sie meinen … Evelyn schob einen Kartoffelchip in den Mund. »Ich wollte Sie was fragen. Erwähnten Sie nicht, ein paar Leute würden glauben, dass Idgie einen Mann getötet hat? Oder bilde ich mir nur ein, Sie hätten das gesagt?«
»Oh nein, Schätzchen. Viele Leute dachten, sie hätte es getan. Vor allem, als sie mit Big George drüben in Georgia vor Gericht stand, wegen Mordes …«
»Wirklich?«, rief Evelyn schockiert.
»Habe ich das nie erzählt?«
»Nein, nie.«
»Oh … Also, es war furchtbar. Ich erinnere mich noch genau an den Morgen, als ich mein Geschirr spülte und im Radio den Frühstücksclub hörte. Da kam Grady Kilgore zu uns und holte Cleo. Er sah aus, als wäre jemand gestorben. ›Lieber würde ich mir den rechten Arm abhacken, aber ich hab’ keine Wahl‹, erklärte er. ›Ich muss Idgie und Big George verhaften, und du sollst mitkommen, Cleo.‹
Idgie war immerhin seine beste Freundin, und was er nun tun musste, brachte ihn fast um. Er versicherte, er sei nahe dran gewesen, den Dienst zu quittieren. Aber er finde es noch schlimmer, wenn Idgie von einem Fremden festgenommen würde. ›Mein Gott, was hat sie denn verbrochen?‹, fragte Cleo.
Grady erwiderte, sie stehe, ebenso wie Big George, unter dem Verdacht, 1930 Frank Bennett ermordet zu haben. Ich wusste nicht mal, dass er tot war oder vermisst wurde.«
»Und wieso hielt man Idgie und Big George für schuldig?«
»Anscheinend hatten die beiden ihm ein paarmal gedroht, sie würden ihn töten. Die Polizei von Georgia nahm das zu Protokoll, und als der Lieferwagen gefunden wurde, mussten sie Idgie und Big George verhaften …«
»Welcher Lieferwagen?«
»Der gehört Frank Bennett. Unsere Polizei suchte nach einem Ertrunkenen, und da fanden sie den Wagen im Fluss, nicht weit von Eva Bates’ Club. Also wussten sie, dass er 1930 in Whistle Stop gewesen war. Grady ärgerte sich wahnsinnig, weil irgendein verdammter Narr in Georgia anrief und die Autonummer durchgab. Da war Ruth schon seit acht Jahren tot. Penny und Stump hatten geheiratet und sich in Atlanta niedergelassen, also muss es um 1955 oder 56 gewesen sein. Grady versuchte alles unter den Teppich zu kehren. Wer immer in der Stadt Bescheid wusste, sprach nicht drüber. Dot Weems wusste es, aber die ließ in ihrer Zeitung kein Wort darüber verlauten. Ich erinnere mich ganz deutlich an die Woche, wo der Prozess stattfand. Albert und ich gingen nach Troutville, um Onzell beizustehen. Sie hatte schreckliche Angst, denn sie wusste, dass Big George im Fall eines Schuldspruchs auf dem elektrischen Stuhl landen würde, genauso wie Mr. Pinto.«
In diesem Augenblick kam die Pflegerin Geneene in den Salon, und setzte sich, um zur Entspannung eine Zigarette zu rauchen.
»Oh Geneene, das ist meine Freundin Evelyn«, sagte Mrs. Threadgoode. »Ich hab Ihnen von ihr erzählt – wissen Sie’s noch? Sie hatte solche Schwierigkeiten mit ihren Wechseljahren.«
»Guten Tag.«
»Hallo.«
Die alte Frau fügte hinzu, wie hübsch sie Evelyn finde. Und sei Geneene nicht auch der Ansicht, Evelyn solle Mary-Kay-Kosmetika verkaufen?
Vergeblich hoffte Evelyn, Geneene würde bald gehen, damit Mrs. Threadgoode die Geschichte zu Ende erzählen konnte. Als Ed sie abholte, war sie ziemlich frustriert, weil sie nun eine ganze Woche warten musste, bis sie erfahren würde, wie die Gerichtsverhandlung ausgegangen war. Beim Abschied bat sie ihre Freundin: »Merken Sie sich, wo Sie aufgehört haben.«
Verständnislos schaute Mrs. Threadgoode sie an. »Wo ich aufgehört habe? Sie meinen – bei Mary Kay?«
»Nein, beim Prozess.«
»Ach ja … Oh, das war schrecklich …«
C OUNTY -G ERICHT
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