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Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Titel: Grüne Tomaten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fannie Flagg
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was sie sagen sollte. Mrs. Threadgoodes Haar leuchtete violett. Schließlich erwiderte sie: »Oh, eine neue Frisur …«
    »Ja, zu Ostern möchte ich immer besonders hübsch aussehen.«
    Evelyn setzte sich und lächelte, als wäre alles in bester Ordnung. »Und wer hat das gemacht?«
    »Ob Sie’s glauben oder nicht, es war ein Mädchen von der Friseurschule in Birmingham. Die kommen manchmal rüber und bearbeiten uns kostenlos, um ein bisschen Übung zu kriegen. Meine Schülerin war ein winziges zartes Ding, und sie bemühte sich so. Da gab ich ihr fünfzig Cent Trinkgeld. Wo sonst auf der Welt kann man sich für fünfzig Cent die Haare waschen, färben und frisieren lassen?«
    »Wie alt ist das Mädchen?«, fragte Evelyn neugierig.
    »Oh, schon erwachsen – aber so klein. Während sie an meinen Haaren rumfummelte, musste sie auf einer Kiste stehen. Ich würde sagen, sie ist nur fünf Zentimeter größer als eine Zwergin … Was mag wohl aus dem Zwerg geworden sein, der mal Zigaretten verkauft hat?«
    »Wo?«
    »Im Radio und TV. Man zog ihn wie einen Pagen an, und er verkaufte Phillip-Morris-Zigaretten. Erinnern Sie sich?«
    »Oh ja, jetzt weiß ich, wen Sie meinen.«
    »Ich fand ihn wahnsinnig komisch, und ich wünschte immer, er würde nach Whistle Stop kommen. Dann hätte ich ihn auf den Schoß nehmen und mit ihm spielen können.«
    Evelyn hatte gefärbte Eier, süßen Mais und Osterschokolade mitgebracht. Sie schlug vor, das Fest jetzt nachzufeiern, weil sie am Ostertag nicht hier gewesen sei. Das hielt Mrs. Threadgoode für eine gute Idee. Sie erklärte, süßer Mais sei eine ihrer Lieblingsspeisen und sie würde gern zuerst die weißen Spitzen abbeißen und sich den Rest für später aufheben. Und das tat sie auch, während sie von Ostern erzählte.
    »Oh Evelyn, wären Sie doch bloß hergekommen! Das Pflegepersonal hatte überall Eier versteckt. Die verstauten wir in unseren Taschen und brachten sie dann in unsere Zimmer. Die ganze dritte Klasse von Woodlawn besuchte uns – lauter süße Dinger, die durch die Korridore rannten. Die amüsierten sich köstlich. Und für die alten Leute hier bedeutete es soviel. Die meisten sehnen sich ja so danach, junge Menschen zu sehen. Ich glaube, dieser Tag heiterte alle auf. Ab und zu müssen alte Leute mit Kindern zusammen sein«, wisperte sie vertraulich. »Das ermuntert sie. Viele ganz alte Damen sitzen immer nur tief gebeugt im Rollstuhl. Aber wenn die Schwestern ihnen Babypuppen in die Arme legen – oh, Sie würden staunen, wie kerzengerade sie sich plötzlich aufrichten. Einige glauben, sie würden ihre eigenen Kinder wiegen. Und raten Sie mal, wer sonst noch zu Ostern ins Heim kam?«
    »Wer?«
    »Das Wettermädchen vom Fernsehsender. Ich hab’ den Namen vergessen, aber sie ist sehr berühmt.«
    »Das muss nett gewesen sein.«
    »War’s auch. Und wissen Sie, was?«
    »Was?«
    »Das ist mir grade erst aufgefallen, nie kam auch nur eine einzige berühmte Persönlichkeit nach Whistle Stop – außer Franklin Roosevelt und Mr. Pinto, der Verbrecher. Aber die waren damals beide schon tot, also zählt es nicht. Niemals gab’s was wirklich Aufregendes, über das die arme alte Dot Weems hätte schreiben können.«
    »Wer war das?«
    »Sie haben noch nie von Franklin Roosevelt gehört?«, fragte Mrs. Threadgoode erstaunt.
    »Nein, ich meine Mr. Pinto.«
    »Sie haben noch nie von Mr. Pinto gehört?«
    »Pinto? Wie Pinto-Pony?«
    »Nein, Schätzchen, wie Pinto-Bohne. Seymore Pinto – der berühmte Mörder.«
    »Oh – das war wohl vor meiner Zeit.«
    »Da haben Sie Glück, das war nämlich ein ganz gemeiner Kerl, ich glaube, ein halber Indianer oder Italiener, aber was auch immer – Sie hätten ihm sicher nicht in einer dunklen Nacht begegnen wollen.« Die alte Frau hatte ihren süßen Mais aufgegessen. Nun biss sie einem Schokoladehasen den Kopf ab und musterte ihn. »Tut mir leid, Mister. Wissen Sie, Evelyn, ich denke, ich bin hier die einzige, die zweimal Ostern feiert. Das mag eine Sünde sein, also werd ich’s niemandem verraten.«

T HE W EEMS W EEKLY
    (W HISTLE S TOP , A LABAMA , W OCHENBLATT )
    28. März 1940
    B ERÜHMTER V ERBRECHER KOMMT NACH W HISTLE S TOP
    Mr. Pinto, der berühmte Mörder, fuhr mit dem Sieben-Uhr-fünfzig aus Mobile durch unsere Stadt. Der Zug hielt nur zehn Minuten, und Stump Threadgoode und Peggy Hadley fotografierten den Toten. Wenn das Bild entwickelt ist, will Idgie es im Café aufhängen.
    Idgie fuhr mit ihrer Pfadfindergruppe nach

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