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Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Titel: Grüne Tomaten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fannie Flagg
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ging mit ihr in die Kirche und setzte sie auf seinen Schoß, als wäre sie Prinzessin Margaret Rose.
    Während sich Naughty Birds Befinden verschlechterte, überlegte Idgie besorgt, was Big George unternehmen würde.
    Zwei Tage später war es, nach heftigen Regenfällen, feucht und kalt. Stump ging an den Bahngleisen von der Schule nach Hause und roch den Kiefernholzrauch, der aus den Schornsteinen stieg. Er trug braune Cordhosen und eine Lederjacke, die schon bessere Tage gesehen hatte, und fror bis auf die Knochen.
    Daheim verkroch er sich im Wohnzimmer hinter dem Café, neben den Holzofen. Seine Ohren brannten, während sie auftauten, und er hörte seiner Mutter zu. »Schätzchen, warum hast du deine Mütze nicht aufgesetzt?«
    »Hab’ ich vergessen.«
    »Du willst doch nicht krank werden?«
    »Nein, Momma.« Er war froh, als Idgie hereinkam. Sie nahm ihren Mantel aus dem Schrank und fragte, ob er mit ihr nach Birmingham fahren wolle, zum Avondale Park. Diese Chance ließ er sich nicht entgehen. »Klar, Tante.«
    »Dann komm.«
    »Moment mal!«, rief Ruth. »Hast du Hausaufgaben?«
    »Nur ganz wenig.«
    »Wenn ich dich jetzt gehen lasse – versprichst du, sofort die Hausaufgaben zu machen, wenn du wieder zu Hause bist?«
    »Ja, Momma.«
    »Ihr kommt doch gleich wieder, Idgie?«
    »Natürlich. Warum nicht? Ich will nur mir diesem Mann reden.«
    »Also gut. Setz deine Mütze auf, Stump.«
    Er rannte zur Tür hinaus. »Bye, Momma.«
    Ruth gab Idgie die Mütze. »Seht zu, dass ihr vor Einbruch der Dunkelheit wieder da seid.«
    »Klar. Mach dir keine Sorgen.«
    Sie stiegen ins Auto und fuhren nach Birmingham.
    Gegen Mitternacht wurde eine verzweifelte Ruth von Smokey angerufen, der ihr sagte, sie solle sich nicht aufregen, die beiden seien okay. Ehe sie fragen konnte, wo sie steckten, hängte er ein.
    Am nächsten Morgen, um fünf Uhr fünfunddreißig, bereiteten Ruth und Sipsey in der Küche das Frühstück für die ersten Gäste vor. Onzell war mit Naughty Bird, der es immer schlechter ging, zu Hause geblieben. Und Ruth, nur noch ein nervöses Wrack, hatte schreckliche Angst um Stump, Idgie und Smokey, die noch immer nicht erschienen waren.
    »Die kommen schon wieder«, meinte Sipsey. »Sie wissen ja, wie Miz Idgie ist. Meist läuft sie einfach weg und bleibt stundenlang verschwunden. Aber sie würde niemals zulassen, dass diesem Jungen was passiert.«
    Eine Stunde später, Grady Kilgore und seine Kumpel tranken gerade ihren Morgenkaffee, hupte es draußen auf der Straße. Dann hörten sie wie aus weiter Ferne Weihnachtsglocken, immer lauter. Alle standen auf, traten ans Fenster und trauten ihren Augen nicht.
    Nebenan, im Friseursalon, hatte Opal soeben eine Teetasse grünes Palmolive-Shampoo auf den Kopf ihrer Kundin geschüttet. Sie schaute aus dem Fenster und schrie so laut, dass sie die arme Biddie Louise Otis beinahe zu Tode erschreckte.
    Miss Fancy, mit ledernen Bändern um die Fußknöchel, ihrem roten Federbusch und mit Glöckchen behängt, trottete fröhlich am Café vorbei, schwenkte den Rüssel durch die Luft und genoss die Situation in vollen Zügen.
    Als Sipsey aus der Küche kam und das riesige Tier am Fenster vorbeigleiten sah, rannte sie in die Toilette und verschloss die Tür hinter sich. Eine Sekunde später stürmte Stump ins Café. »Momma! Momma! Komm!« Und er lief wieder hinaus und zog Ruth hinter sich her.
    Während Miss Fancy durch die rötlichen Sandstraßen von Troutville schlenderte, flogen alle Türen auf, das Geschrei entzückter Kinder erfüllte die Luft. Die verwirrten Eltern, manche noch in Morgenmänteln und Pyjamas, das Haar zerzaust, waren sprachlos.
    J. W. Moldwater, Miss Fancys Dresseur, ging neben ihr. Letzte Nacht hatte er an einem Wettkampf im Whiskeytrinken und an einem Pokerspiel teilgenommen und beides verloren. Nun wünschte er, die Kinder, die an seiner Seite wie mexikanische Bohnen auf und ab hüpften und ohrenbetäubend kreischten, würden den Mund halten. Er wandte sich zu Idgie, die ihn begleitete. »Wo wohnt sie?«
    »Ich zeig’s Ihnen.«
    Onzell, immer noch die Schürze umgebunden, stürzte aus dem Haus und schrie nach Big George. Er bog um die Ecke, das Beil in der Hand, mit dem er Holz gehackt hatte, stand ein paar Sekunden lang reglos da und glaubte nicht, was er sah. Dann schaute er Idgie an und sagte leise: »Danke, Miss Idgie, danke.« Er lehnte das Beil an die Hausmauer und eilte hinein. Sorgsam wickelte er das dünne kleine Mädchen in eine Steppdecke.

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