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Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Titel: Grüne Tomaten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fannie Flagg
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zugedeckte Gestalt.
    Nun geriet Stump in Verzweiflung, weil ihm die Zeit davonlief. »Du musst mir helfen. Zieh das Tuch weg, damit ich sein Gesicht knipsen kann.«
    »Nein, ich mag ihn nicht sehen.«
    Das wollte Stump auch nicht, aber er war fest entschlossen, ein Foto von Mr. Pintos Gesicht zu machen – um jeden Preis. Und so entwickelte er blitzschnell einen Plan, der es ihnen beiden ersparen würde, die Leiche anschauen zu müssen. Er gab Peggy die Brownie. »Da. Richte den Apparat auf die Stelle, wo der Kopf ist. Ich zähle bis drei, du schließt die Augen, dann zähle ich nochmals bis drei, zieh’ das Tuch weg, du drückst auf den Auslöser, und ich decke Mr. Pinto wieder zu. Dann brauchst du ihn überhaupt nicht zu sehen. Beeil dich, bitte! Bald ist Grady wieder da …«
    »Nein, ich habe Angst.«
    »Bitte! Du bist der einzige Mensch in der Stadt, dem ich erzählt habe, dass Mr. Pinto hierherkommen würde.«
    »Also gut«, entgegnete Peggy widerstrebend. »Aber wage bloß nicht, das Laken wegzuziehen, bevor ich die Augen zugemacht habe! Versprichst du das, Stump Threadgoode?«
    Er erhob die Hand zum Pfadfinder-Ehrenschwur. »Ich verspreche. Und jetzt geht’s los!«
    Peggy richtete die bebende Kamera auf den bedeckten Kopf.
    »Bist du bereit?«, fragte Stump.
    »Ja.«
    »Okay. Schließ die Augen. Wenn ich bis drei gezählt habe, musst du knipsen, und dann schaust du erst wieder hin, wenn ich’s dir sage.«
    Peggy kniff die Augen zu, ebenso wie der Junge, der vorsichtig das Tuch anhob und wegzog. »Okay – eins, zwei, drei – jetzt!«
    Wie geplant, drückte Peggy auf den Auslöser, und im selben Moment hörten sie Gradys durchdringende Stimme. »He, Kids, was treibt ihr denn da?«
    Beide rissen die Augen auf und starrten in Mr. Pinto Seymores Gesicht, das noch warm war von der großen gelben Momma. Schreiend warf Peggy die Kamera in den Sarg und rannte davon. Und Stump, der wie ein Mädchen quietschte, floh in die andere Richtung. Und Mr. Pinto lag nur da, knusprig geröstet, Mund und Augen weit geöffnet. Wäre auf seinem Kopf nur ein einziges Haar übrig geblieben, hätte es zu Berge gestanden.
    Am Nachmittag verkroch sich Peggy immer noch im Bett, während Mr. Pintos Gesicht durch ihre Fantasie geisterte. Stump kauerte daheim im Schrank, trug einen Lone-Ranger-Cowboygürtel, der im Dunkel leuchtete, zitterte nach wie vor am ganzen Leib und wusste, er würde jenen grässlichen Anblick sein Leben lang nicht vergessen.
    Um sechs kam Grady ins Café und brachte Stumps Kamera.
    »Ihr werdet es nicht glauben.« Lachend schilderte er, was geschehen war. »Und dann haben die zwei dem armen toten Bastard die Nase gebrochen.«
    Ruth war entsetzt. Smokey starrte in seinen Kaffee und versuchte, sich nicht zu übergeben. Und Idgie, die gerade einen Traubensaft für ihren Freund Ocie Smith zur Hintertür trug, lachte so heftig, dass sie das Getränk auf ihr Hemd schüttete.

V ALDOSTA , G EORGIA
    30. September 1924
    Als Frank Bennett aufgewachsen war, hatte er seine Mutter angebetet. Das Ausmaß dieser Zuneigung widerte den Vater an, einen Bullen von einem Mann, der sich nichts dabei dachte, wenn er den Jungen vom Stuhl stieß oder die Treppe hinunterwarf. Die Mutter war das einzig Gute, Sanfte, was Frank in seiner Kindheit kannte, und er liebte sie von ganzem Herzen.
    Als er eines Tages mit einer vorgetäuschten Krankheit von der Schule nach Hause kam und die Mutter mit dem Bruder des Vaters auf dem Küchenboden fand, verwandelte sich diese Liebe innerhalb von Sekunden in Hass, dann rannte er schreiend hinaus.
    Mit vierunddreißig war Frank Bennett ein eitler Mann. Seine schwarzen Schuhe glänzten immer spiegelblank, das Haar war stets gekämmt, die Kleidung saß perfekt, und er gehörte zu den wenigen männlichen Kunden, die sich jede Woche im Friseursalon die Fingernägel maniküren ließen.
    Man mochte ihn als Dandy bezeichnen und sogar hübsch finden – auf irische Art, mit seinem dichten schwarzen Haar und den stahlblauen Augen, obwohl eins aus Glas bestand. Doch das andere leuchtete genauso kalt, und so konnte man das echte kaum vom falschen unterscheiden.
    Vor allem war er ein Mann, der stets bekam, was er wollte. Und er wollte Ruth Jamison. Alle verfügbaren Mädchen in der Gegend hatte er schon besessen, inklusive und vorzugsweise die schwarzen, die er mit Gewalt nahm, während seine Freunde sie festhielten. Wenn er mit einer geschlafen hatte, reizte sie ihn nicht mehr. Die kleine Tochter einer Blondine,

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