Grüne Tomaten: Roman (German Edition)
Schätzchen, zwischen Mann und Frau gibt’s gewisse Dinge, und davon musst du die Finger lassen.«
»Warum bleibt sie bei ihm?«, fragte die arme, unglückliche Idgie. »Was ist los mit ihr?«
»Kümmere dich um deinen eigenen Kram und vergiss das alles. Sie ist eine erwachsene Frau und tut, was sie will, wenn’s dir auch missfällt. Und du bist noch ein Baby, Süße. Falls dieser Mann wirklich so niederträchtig ist, wie du behauptest, könnte er dir was antun. Also halt dich da raus.«
»Es ist mir egal, was du sagst, Eva, und eines Tages werde ich diesen Hurensohn töten. Wart’s nur ab.«
Eva goss Idgie noch einen Drink ein. »Das wirst du nicht. Du wirst niemanden töten und auch nicht mehr da hinfahren. Versprichst du’s?«
Idgie versprach es. Und beide wussten, dass sie log.
P FLEGEHEIM R OSE T ERRACE
O LD M ONTGOMERY H IGHWAY , B IRMINGHAM , A LABAMA
27. April 1986
Heute war Mrs. Threadgoode besonders glücklich, weil sie ein Brathühnchen mit Kohlsalat auf einem Pappteller bekommen hatte, und Evelyn ging gerade den Flur hinunter und holte ihr einen Traubensaft.
»Oh, danke, Schätzchen! Sie verwöhnen mich. Jede Woche bringen Sie mir so was Köstliches mit. Ich habe Mrs. Otis gesagt, Evelyn könnte gar nicht netter sein, wenn sie meine eigene Tochter wäre. Das weiß ich wirklich zu würdigen. Ich hatte nie eine Tochter. Isst Ihre Schwiegermutter auch gern was Gutes?«
»Oh nein. Ich habe ihr ebenfalls ein Hühnchen mitgebracht, aber sie will’s nicht. Das Essen bedeutet ihr nichts, da ist sie genau wie Ed. Die beiden ernähren sich nur, um am Leben zu bleiben. Können Sie sich das vorstellen?«
Das verneinte Mrs. Threadgoode ganz entschieden, und Evelyn gab ihr das Stichwort. »Ruth hat Whistle Stop also verlassen, um in Valdosta zu heiraten …«
»Ja, und das hätte Idgie fast umgebracht. Sie bekam einen Wutanfall …«
»Das haben Sie mir schon erzählt. Nun würde ich gern wissen, wann Ruth nach Whistle Stop zurückgekommen ist.« Evelyn lehnte sich zurück, aß ihr Hühnchen und hörte zu.
»Oh, ich erinnere mich noch genau an den Tag, wo der Brief eintraf. Das muss 1928 oder 29 gewesen sein. Oder 30? Nun, jedenfalls saß ich bei Sipsey in der Küche, als Momma angerannt kam, den Brief in der Hand. Sie stieß die Hintertür auf und schrie nach Big George, der mit Jasper und Artis im Garten war. ›George, holen Sie Idgie sofort hierher!‹, befahl sie. ›Da ist ein Brief von Miss Ruth.‹ George lief los, suchte Idgie, und eine Stunde später tauchte sie in der Küche auf. Momma, die gerade Erbsen auslöste, zeigte nur auf das Kuvert, das Idgie wortlos öffnete. Komisch – da steckte gar kein Brief drin, sondern eine herausgerissene Bibelseite aus dem Buch Ruth, Kapitel eins, Vers sechzehn. ›Ruth antwortete: Rede mir nicht ein, dass ich dich verlassen sollte und von dir umkehren. Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.‹
Idgie stand einfach nur da. Immer wieder las sie diesen Text. Dann gab sie Momma das Blatt und fragte, was das bedeute. Momma las es, legte es auf den Tisch und fuhr fort, Erbsen auszulösen. ›Nun, Schätzchen‹, erwiderte sie, ›es bedeutet genau das, was da steht. Ich finde, morgen solltest du mit deinen Brüdern und Big George hinfahren und das Mädchen holen, meinst du nicht auch? Wenn du’s nicht tust, kannst du nicht damit leben, das weißt du.‹
Und das stimmte. Idgie hätte nicht damit leben können. Also fuhren sie am nächsten Tag nach Georgia und holten Ruth. Ich bewunderte sie, weil sie den Mut aufbrachte, einfach auf und davon zu gehen. Um so was zu tun, musste man damals wirklich tapfer sein, Schätzchen, da war’s anders als heutzutage. Wenn man verheiratet war, blieb man auch verheiratet. Aber sie hatte viel mehr Kraft, als man’s ahnte. Alle Leute behandelten sie immer wie ein Porzellanpüppchen. Trotzdem war sie in gewisser Weise viel stärker als Idgie.«
»Hat sich Ruth scheiden lassen?«
»Oh, das weiß ich nicht. Danach habe ich nie gefragt. Ich dachte, das wäre Ruths ureigenste Angelegenheit. Ihren Mann lernte ich nie kennen. Angeblich war er recht hübsch, abgesehen von dem Glasauge. Ruth erklärte mir, er stamme aus einer netten Familie, sei aber ein bisschen pervers, was Frauen betreffe. In der Hochzeitsnacht betrank er sich und vergewaltigte sie, während sie ihn die ganze Zeit anflehte, aufzuhören.«
»Wie
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