Grünes Gift
bitte?« fragte Jonathan zurück, als ob sie ihn gerade aus dem Schlaf gerissen hätte.
»Langweile ich dich?« fragte Cassy.
»Nein«, erwiderte Jonathan schnell.
»Ich möchte wissen, ob ich die letzten drei Buchstaben in der Internet-Adresse verändern soll«, sagte Cassy. Sie hatte sich voll auf den Bildschirm konzentriert und gar nicht mitbekommen, welche Wirkung die sichtbaren Zeichen ihrer Weiblichkeit auf Jonathan ausübten. Da sie gerade ein erfrischendes Bad im See genommen hatte, zeichneten sich ihre Brustwarzen deutlich unter dem Kleid ab.
»Hm… ja«, entgegnete Jonathan schließlich. »Geben Sie ein: Punkt GO. Und dann…«
»Dann backslash, 606, großes Randy, kleines g, backslash«, fuhr Cassy fort. »Und zum Schluß Enter.« Sie sah Jonathan an und merkte, daß er rot geworden war. »Ist irgend etwas?« fragte sie.
»Nein, überhaupt nicht«, erwiderte er.
»Okay, soll ich es tun?« fragte Cassy.
Jonathan nickte, und Cassy drückte auf Enter. Beinahe im selben Moment wurde der Drucker aktiviert; er begann, eine Seite nach der anderen auszuspucken.
»Voilà«, sagte Jonathan. »Wir sind in unserer Mailbox, und niemand kann unsere Spur dorthin verfolgen.« Cassy grinste und stupste Jonathan freundschaftlich in die Rippen. »Du bist ein guter Lehrer.«
Jonathan wurde schon wieder rot. Er wandte seinen Blick ab und nahm die Seiten aus dem Drucker. Cassy stand auf und ging hinüber zu Pitt.
»In drei Minuten gibt es Chili!« rief Jesse. Niemand antwortete. »Ich weiß, ich weiß«, fügte er hinzu. »Sie haben alle keine Zeit, aber Sie müssen essen. Ich stelle alles auf den Tisch. Wer sich ein bißchen stärken will, kann kommen.« Cassy legte ihre Hände auf Pitts Schultern und warf einen Blick auf den Bildschirm. Er hatte ein weiteres Kreisdiagramm erstellt, doch diesmal war die rote Fläche bereits größer als die blaue.
»Meinst du, so ist die Lage im Augenblick?« fragte Cassy. Pitt nahm eine von Cassys Händen und drückte sie.
»Ich fürchte ja«, erwiderte er. »Wenn die Daten aus dem Fernseher einigermaßen stimmen, kommt bei meiner Hochrechnung heraus, daß inzwischen achtundsechzig Prozent der Weltbevölkerung infiziert sind.«
Jonathan klopfte Nancy auf den Rücken. »Tut mir leid, daß ich stören muß, Mom. Hier sind die neuesten Mitteilungen aus dem Web.«
»Ist etwas von der Gruppe aus Winnipeg über die Aminosäuresequenz des Proteins dabei?« fragte Sheila.
»Ja«, erwiderte Jonathan. Er blätterte den Stapel durch, zog die Seite mit der Nachricht aus Winnipeg heraus und reichte sie Sheila, die ihre Arbeit unterbrach und den Text überflog. »Außerdem habe ich Kontakt zu einer neuen Gruppe in Trondheim in Norwegen bekommen«, fuhr Jonathan fort. »Sie arbeiten in einem Geheimlabor, das sie sich unter der Sporthalle der Universität eingerichtet haben.«
»Hast du ihnen unsere Originaldaten geschickt?« fragte Nancy.
»Ja«, versicherte Jonathan. »Sie haben das gleiche bekommen wie die anderen.«
»Winnipeg hat Fortschritte gemacht!« rief Sheila. »Jetzt kennen wir die komplette Aminosäuresequenz des Proteins. Das heißt, wir können anfangen, es selbst herzustellen.«
»Hier ist die Nachricht aus Norwegen«, sagte Jonathan und wollte seiner Mutter das Blatt reichen. Doch bevor er sich versah, hatte Sheila es ihm aus der Hand gerissen. Sie überflog den Text und zerknüllte das Papier.
»Das wissen wir längst alles«, stellte sie fest. »Reine Zeitverschwendung.«
»Na hören Sie mal!« schaltete Cassy sich ein. Sie hatte Sheilas Bemerkung mitbekommen. »Immerhin haben die Leute in totaler Isolation gearbeitet.«
»Ist auch etwas von der Gruppe aus Frankreich dabei?« fragte Pitt.
»Eine ganze Menge sogar«, erwiderte Jonathan. Er reichte Pitt die französischsprachigen Seiten. »Sieht so aus, als ob die Epidemie sich dort immer noch langsamer ausbreitet als überall sonst.«
»Liegt bestimmt am Rotwein«, bemerkte Sheila und lachte.
»Dieses Phänomen könnte von größter Bedeutung sein«, sagte Nancy. »Jedenfalls wenn es weiterhin dabei bleibt und es sich nicht nur um einen Zufall handelt. Vielleicht können wir herausfinden, warum sich dort weniger Menschen infizieren.«
»Das sind die schlechten Nachrichten«, sagte Jonathan und hielt eine andere Seite hoch. »Leute mit Diabetes, Hämophilie oder Krebs sterben massenweise, egal wo man hinsieht.«
»Sieht so aus, als würde das Virus diese Krankheiten ganz gezielt aus dem menschlichen Genpool
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