Grünes Gift
einen letzten Blick auf das seltsam verwandelte Zimmer und zwängte sich dann zurück durch die Menge. Dabei ging ihm der Gedanke nicht aus dem Kopf, was der Zusammenstoß mit der Drachenlady für seine künftige Karriere bedeutete.
»Entschuldigen Sie die Unterbrechung«, sagte Sheila. Sie unterhielt sich mit Detective Lieutenant Jesse Kemper und seinem Kollegen Vince Garbon.
»Kein Problem«, entgegnete Jesse. »Es macht sowieso nicht viel Sinn, was ich gerade gesagt habe. Was wir hier sehen, ist zwar irritierend, aber es deutet nichts auf ein Verbrechen hin. Zumindest sagt mir mein Gefühl, daß wir es nicht mit einem Mord zu tun haben. Vielleicht sollten Sie ein paar Physiker zu Rate ziehen und fragen, ob durch dieses Fenster womöglich ein Blitz eingeschlagen haben könnte.«
»Aber es hat doch gar kein Gewitter gegeben«, gab Sheila zu bedenken.
»Ich weiß«, erwiderte Jesse etwas hilflos und hob seine Hände, als ob er den Himmel um Antwort bitten wollte. »Aber Sie sagten doch, Ihre Techniker hätten einen Stromschlag als Todesursache ausgeschlossen. Für mich sieht es aber so aus, als ob der Mann einen Stromschlag bekommen hätte. Und wenn ich mit dieser Vermutung richtig liege, war es vielleicht doch ein Blitz.«
»Ich halte Ihre Hypothese für ziemlich abwegig«, erklärte Sheila. »Ich bin zwar keine Pathologin, aber ich glaube mich doch zu erinnern, daß ein Blitz kein Loch in der Hand hinterläßt, wenn er einen Menschen trifft. Er geht in die Erde und verläßt den Körper durch die Füße. Es kann sogar passieren, daß er seinem Opfer die Schuhe wegreißt. Aber in diesem Fall hier haben wir keinerlei Hinweis auf einen geerdeten Blitz. Wenn ich mir die ganze Szenerie genauer betrachte, denke ich eher an einen starken Laserstrahl.«
»Das ist es!« rief Jesse. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Sie verwenden doch hier im Krankenhaus bestimmt Laserstrahlen, nicht wahr? Vielleicht hat jemand einen Strahl durch das Fenster gejagt.«
»Natürlich arbeiten wir mit Laserstrahlen«, erwiderte Sheila. »Aber bestimmt nicht mit solchen, die ein derartiges Loch verursachen könnten, wie wir es in der Hand von Mr. Arnold gesehen haben. Außerdem kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, inwiefern Laserstrahlen für die seltsamen Verformungen der Möbel verantwortlich sein sollten.«
»Ich bin völlig ratlos«, gestand Jesse. »Wenn bei der Autopsie herauskommen sollte, daß wir es mit einem Mord zu tun haben, beginnen wir natürlich sofort mit unseren Ermittlungen. Ansonsten, denke ich, sollten Sie erst einmal ein paar Wissenschaftler zu Rate ziehen.«
»Wir haben schon im physikalischen Institut angerufen«, entgegnete Sheila.
»Das war eine gute Idee«, sagte Jesse. »Ich lasse Ihnen trotzdem meine Karte hier.« Er reichte ihr seine Visitenkarte. Auch Richard Halprin, dem Präsidenten des University Medical Centers, und Wayne Martinenz, dem Leiter des Krankenhaus-, Sicherheitsdienstes, gab er eine Karte. »Sie können mich jederzeit anrufen. Ich bin wirklich an dem Fall interessiert. Irgendwie waren die letzten Nächte nicht ganz normal. Da sind mehr seltsame Sachen passiert, als in all den dreißig Jahren, die ich jetzt im Dienst bin. Haben wir vielleicht Vollmond, oder was ist los?«
Am Ende der Show wurde die Musik noch einmal lauter, dann endete sie mit einem abrupten Beckenschlag. Die Kuppel des Planetariums verdunkelte sich, dann ging das Licht an. Im nächsten Augenblick begann das Publikum begeistert zu applaudieren und zu pfeifen. Auf den meisten Plätzen saßen Grundschulkinder, die einen Klassenausflug machten. Außer ein paar Lehrern und Aufsichtspersonen waren Cassy und Beau die einzigen Erwachsenen.
»Das war wirklich klasse«, sagte Cassy. »Ich hatte schon ganz vergessen, wie so eine Show im Planetarium abläuft. Das letzte Mal war ich auch noch Schülerin, ich glaube in der vierten Klasse bei Miss Korth.«
»Ich fand es auch toll!« Beau klang begeistert. »Es ist wirklich faszinierend, wie die Galaxie aussieht, wenn man sie von der Erde aus betrachtet.«
Cassy blinzelte und starrte Beau ungläubig an. Er hatte an diesem Morgen schon mehrfach so komische, vollkommen unlogische Bemerkungen fallengelassen.
»Komm!« forderte Beau sie auf und erhob sich von seinem Sitz. Er schien gar nicht zu bemerken, wie perplex Cassy war.
»Laß uns versuchen, vor dieser Horde kreischender Kinder hier rauszukommen.«
Hand in Hand verließen sie das Auditorium und schlenderten
Weitere Kostenlose Bücher