Grünes Gift
sie sich zu entspannen, indem sie sich nur auf ihre Atmung konzentrierte.
Als sie hörte, wie mit einem Quietschen die Tür ihres Apartments geöffnet wurde, saß sie kerzengerade im Bett. Sie war eingeschlafen und fragte sich sofort wieder, ob nicht doch alles nur ein Traum gewesen war. Aber ein flüchtiger Blick durch das Zimmer bestätigte ihr, daß sie keine Halluzinationen hatte: Beaus Nachricht lag noch immer auf dem Nachttisch, außerdem brannte Licht.
Beau und King erschienen in der Tür. Beau hatte seine Schuhe in der Hand, um möglichst wenig Lärm zu machen.
»Bist du noch wach?« fragte Beau. Er klang enttäuscht. »Ich habe auf dich gewartet«, erwiderte Cassy. »Hast du meine Nachricht gelesen?« wollte Beau wissen, während er die Schuhe in den Schrank stellte und sich auszuziehen begann.
»Ja«, erwiderte Cassy. »Schön, daß du diesmal daran gedacht hast.« Sie überlegte, wie sie fortfahren sollte. Eigentlich wollte sie ihn mit Fragen bombardieren, aber aus irgendeinem Grund zögerte sie. Die ganze Situation erschien ihr wie ein einziger Alptraum.
»Dann ist ja alles okay«, stellte Beau fest und verschwand im Bad.
»Was ist da draußen vor sich gegangen?« rief Cassy ihm hinterher. Sie mußte all ihren Mut zusammennehmen. »Wir haben einen Spaziergang gemacht«, rief Beau zurück. »Das hab’ ich dir doch aufgeschrieben.«
»Und wer waren all diese Leute?« bohrte Cassy weiter. Beau erschien in der Badezimmertür. Er trocknete sich gerade das Gesicht ab.
»Ein paar andere, die genau wie ich ein bißchen spazierengegangen sind«, erklärte er.
»Mr. und Mrs. Partridge?« fragte Cassy sarkastisch. »Ja, die habe ich auch getroffen«, bestätigte Beau. »Wirklich ein nettes Paar. Sie sind sehr engagiert.«
»Worüber habt ihr geredet?« fragte Cassy. »Ich habe euch vom Fenster aus beobachtet. Was ich gesehen habe, sah nach einer Versammlung aus.«
»Ich weiß, daß du uns gesehen hast«, erwiderte Beau. »Wir haben uns ja auch nicht versteckt. Wir haben uns nur unterhalten, vor allem über die Umwelt.«
Cassy lachte hämisch. Nach dem, was sie gerade gesehen hatte, konnte sie es einfach nicht fassen, daß Beau so etwas Lächerliches erwidern konnte. »Alles klar«, spottete sie. »Wahrscheinlich findet neuerdings um drei Uhr morgens ein Nachbarschaftstreffen zur Umweltpolitik statt.« Beau setzte sich zu ihr auf die Bettkante. Er sah zutiefst besorgt aus.
»Was ist denn los, Cassy?« fragte er. »Du bist ja schon wieder sauer auf mich.«
»Natürlich bin ich sauer!« schrie Cassy ihn an.
»Beruhige dich, mein Schatz«, sagte Beau. »Mein Gott, Beau! Wofür hältst du mich eigentlich? Was ist mit dir los?«
»Nichts«, erwiderte Beau. »Ich fühle mich wunderbar, und alles läuft bestens.«
»Merkst du gar nicht, wie merkwürdig du dich in letzter Zeit benimmst?«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest«, entgegnete Beau. »Vielleicht verlagert sich mein Wertesystem. Aber mein Gott - ich bin jung, ich besuche die Uni, und ich will dazulernen.«
»Du bist nicht mehr der Beau, den ich kenne«, sagte Cassy. »Natürlich bin ich Beau«, widersprach er. »Ich bin Beau Eric Stark. Und ich bin genau der, der ich auch letzte und vorletzte Woche gewesen bin. Ich bin in Brookline, Massachusetts, als Sohn der Eheleute Tami und Ralph Stark geboren. Ich habe eine Schwester namens Jeanine, und ich…«
»Hör auf!« fuhr Cassy ihn an. »Daß dein Lebenslauf derselbe geblieben ist, ist mir klar. Es ist dein Verhalten, das sich radikal verändert hat. Merkst du das denn nicht?« Beau zuckte mit den Schultern. »Nein. Tut mir leid. Ich bin derselbe wie eh und je.«
Cassy seufzte verzweifelt. »Ich bin nicht die einzige, der die Veränderungen an dir aufgefallen sind. Pitt hat es auch gemerkt.«
»Pitt?« fragte Beau. »Jetzt, wo du es sagst, fällt mir ein, daß er tatsächlich so etwas erwähnt hat. Angeblich tue ich plötzlich überraschende Dinge.«
»Ganz genau!« entgegnete Cassy. »Davon rede ich doch die ganze Zeit. Jetzt hör mir mal gut zu! Ich möchte, daß du dich in Behandlung begibst - und zwar bei einem Spezialisten. Am besten gehen wir beide zusammen. Wie wäre das?« Nach einem kurzen sarkastischen Lachanfall fügte sie hinzu: »Vielleicht bin ich ja diejenige, die komisch geworden ist.«
»Okay«, willigte Beau ein.
»Du bist wirklich bereit, einen Spezialisten aufzusuchen?« fragte Cassy. Sie hatte mit heftigem Widerspruch gerechnet.
»Wenn dir soviel daran liegt, tue
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