Grünes Gift
sich auf einen Stuhl sinken. Sie war völlig erschöpft. Cassy erzählte ihr von Anfang an, wie Beau sich nach seiner Krankheit verwandelt hatte. Obwohl ihr einige Details nicht gerade leicht über die Lippen gingen, ließ sie nichts aus. Sie beschrieb sogar, was in der vergangenen Nacht passiert war; sie erzählte von dem seltsamen Lichtkegel, von dem seltsamen Treffen auf dem Parkplatz und von den glühenden Augen der Versammelten.
Als Cassy ihre Geschichte beendet hatte, blieb Sheila zunächst für eine Weile stumm und spielte gedankenverloren mit ihrem Bleistift. Schließlich sah sie auf.
»Wenn Sie mir diese Geschichte unter normalen Umständen erzählt hätten, hätte ich Sie sofort in die Psychiatrie überwiesen. Aber dies sind nun mal keine normalen Umstände. Ich habe wirklich keine Ahnung, was ich von all dem halten soll, aber vielleicht sollten wir uns einfach noch einmal die bekannten Fakten vergegenwärtigen. Beau ist also vor drei Tagen krank geworden.« Cassy und Pitt nickten.
»Ich würde ihn mir gerne mal ansehen«, erklärte Sheila. »Glauben Sie, er wäre bereit, sich von mir untersuchen zu lassen?«
»Er hat es mir versprochen«, erwiderte Cassy. »Ich habe ihn nämlich darum gebeten, einen Spezialisten zu konsultieren.«
»Könnten Sie ihn dazu überreden, noch heute zu kommen?« fragte Sheila.
Cassy schüttelte den Kopf. »Er ist in Santa Fe.«
»Und wann kommt er zurück?«
»Keine Ahnung«, brachte Cassy hervor. Sie war den Tränen nahe. »Er wollte es mir nicht sagen.«
»Dies ist einer meiner Lieblingsplätze hier auf dem Areal«, sagte Randy, »beziehungsweise in der Zone, wie wir unser Firmengelände auch zu nennen pflegen.« Er brachte das kleine elektrogetriebene Golfauto zum Stehen und stieg aus. Beau stieg ebenfalls aus und folgte dem Software-Mogul einen kleinen grasbewachsenen Hügel hinauf. Oben angelangt, wurden sie mit einem spektakulären Blick belohnt. Vor ihnen lag ein kristallklarer See, auf dem wilde Enten schwammen. Dahinter erstreckte sich vor der Silhouette der Rocky Mountains ein Wald.
»Na, wie gefällt Ihnen das?« fragte Randy stolz. »Atemberaubend«, erwiderte Beau. »Da kann man wirklich sehen, daß es sinnvoll ist, sich für die Umwelt einzusetzen, und daß doch noch nicht alles verloren ist. Es ist eine unbegreifliche Tragödie, daß eine so intelligente Spezies wie der Mensch diesen wunderbaren Planeten derartig zugrunde gerichtet hat. Wenn ich nur an die Umweltverschmutzung denke, an das politische Hickhack, die Rassenstreitigkeiten, die Überbevölkerung oder das Unvermögen, den genetischen Pool vernünftig zu handhaben…«
Randy hatte zu jeder seiner Aussagen zustimmend genickt. Er sah Beau kurz an, doch dieser ließ seinen Blick verträumt in Richtung Berge schweifen. Randy überlegte, was Beau mit der »unvernünftigen Handhabung des genetischen Pools« meinte. Doch bevor er ihn fragen konnte, fuhr Beau fort: »Diese negativen Kräfte müssen unter Kontrolle gebracht werden. Es ist möglich, da bin ich ganz sicher. Ich bin fest davon überzeugt, daß es Möglichkeiten gibt, den Schaden wiedergutzumachen, den die Menschen der Erde zugefügt haben. Das, was wir dafür brauchen, ist ein großer Visionär, jemand, der die Fäden in die Hand nimmt, der mit den Problemen vertraut ist, der über das notwendige Potential verfügt und nicht davor zurückschreckt, die Führung zu übernehmen.«
Unwillkürlich huschte ein zustimmendes Lächeln über Randys Gesicht, daß Beau aus den Augenwinkeln wahrnahm. Allein dieses Lächeln verriet ihm, daß er Randy genau da hatte, wo er ihn haben wollte.
»Das sind ja ziemlich visionäre Ideen für einen Studenten, der kurz vor dem Abschluß steht«, sagte Randy. »Aber glauben Sie wirklich, daß die Menschheit, so wie sie nun einmal ist, dahin gebracht werden kann, daß Ihre Visionen Wirklichkeit werden?«
»Mir ist schon klar, daß die Menschen sich selbst im Weg stehen«, räumte Beau ein. »Doch mit Hilfe der finanziellen Ressourcen und der weltweiten Verbindungen, die Sie durch Cipher Software in den Händen halten, glaube ich, daß die Hindernisse überwunden werden können.«
»Auf jeden Fall ist es gut, eine Vision zu haben«, stellte Randy fest. Obwohl Beaus Idealismus ihm ein bißchen zu weit ging, war er doch beeindruckt, allerdings nicht genug, um ihn sofort als persönlichen Assistenten einzustellen. Wie all seine anderen Assistenten würde er sich in den verschiedenen Abteilungen erst beweisen
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