Gruenkohl und Curry
romantischen
Ghaselen
die Liebe. Mein Großvater wettete mit seinen Freunden, ebenfalls Nawabs, auf die Drachenflugkünste seiner ältesten Söhne, verspielte Geld bei Hahnenkämpfen, bei denen den Vögeln rasiermesserscharfe Klingen an die Füße gebunden waren – ein blutiges Spektakel, bei dem am Ende nur ein Hahn überlebte. Längst sind solche Kämpfe offiziell verboten, aber wer sich in Lucknow umhört, wird immer noch von geheimen Treffen zu Hahnenkämpfen hören.
Ein weiteres Freizeitvergnügen der Nawabs, die sich um die alltäglichen Dinge nicht kümmern mussten, war das Taubenspiel: Man ließ hundert Tauben fliegen, der ein paar hundert Meter entfernte Mitspieler steuerte noch einmal hundert Tauben bei. Jetzt versuchte jeder Spieler, alle Tauben auf die eigene Seite zu locken. Jeder Vogel, der an der Futterschale eines Mitspielers landete, wurde sein Eigentum. Gelegentlich gingen die Nawabs auch auf Tigerjagd. Oder sie spielten Polo, Cricket oder Golf.
Die britischen Offiziere schätzten die Nawabs, weil sie von ihnen keine Opposition zu befürchten hatten, solange sie ungestört ihren Vergnügungen nachgehen konnten. Außerdem unterschied sich der Lebensstil der Nawabs und der britischen Offiziere nicht großartig.
Von seinem Vater hat mein Vater die Vorliebe fürs Kochen geerbt. Der experimentierfreudige Kazim Ali Khan machte die besten Süßigkeiten in der ganzen Familie, er bereitete Currys zu, von denen in der Verwandtschaft heute noch geschwärmt wird. »Er legte jeden Abend vier Mandeln in Wasser, morgens schälte er sie und nahm sie zusammen mit einem Glas Milch zu sich«, sagte mein Vater. In der Familie sind alle davon überzeugt, dass das der Grund für sein hohes Alter war, er wurde rund neunzig Jahre.
Mit seiner ersten Ehefrau bekam Kazim Ali Khan 1918 eine Tochter, die von allen nur
Baji
genannt wurde, große Schwester, und sich ihr Leben lang ungeliebt fühlte. Wenige Jahre nach seiner Hochzeit begann Kazim Ali Khan ein Verhältnis mit einer Hausangestellten, genannt Jhammi. Mit ihr ging er eine Ehe auf Zeit ein, was bei den Schiiten rechtlich möglich ist und
Mut’ah
heißt.
Bei einer Zeitehe, auch Genussehe genannt, heiratet ein muslimischer Mann eine Frau für die Dauer von einer Stunde bis zu neunundneunzig Jahren. Eine sexuelle Beziehung zwischen nicht Verheirateten ist im Islam verboten; das Konstrukt der Zeitehe ist der Ausweg. Das Paar muss für diesen Zweck vor dem Vergnügen einen Ehevertrag abschließen, in dem die Dauer der Ehe und das Entgelt, das die Frau erhalten soll, festgelegt werden. Möglich ist auch, die Anzahl der sexuellen Begegnungen zu vereinbaren. Auf diese Weise findet selbst Prostitution in schiitisch geprägten Ländern ihre gesetzliche Legitimation. Im Gegensatz zum Mann muss die Frau, die eine Ehe auf Zeit eingehen möchte, unverheiratet sein. Eine Mut’ah ist außerdem die einzige Möglichkeit für einen Schiiten, eine Nichtmuslimin zu heiraten; eine normale Ehe darf er mit einer Nichtmuslimin nicht eingehen – eine auf neunundneunzig Jahre befristete Beziehung dagegen sehr wohl. Kinder, die aus einer solchen Verbindung hervorgehen, gelten als ehelich.
Jhammi gebar 1922 Wajid Ali Khan, einen Halbbruder meines Vaters, der es zeitlebens schwer hatte, weil die Familie ihn – Sohn einer Bediensteten – nicht achtete.
Meine Großmutter Afsar Begum heiratete Kazim Ali Khan nach dem Tod seiner ersten Frau. Baji und Wajid bekamen mit ihr eine Stiefmutter, die nur neun beziehungsweise dreizehn Jahre älter war als sie selbst. Afsar Begum gebar insgesamt fünf Kinder: Zahra, meine Tante, die 1930 geboren wurde, aber 1939 in ihrem Pass stehen hat, Mustafa (1932), Safia (1935), Ali (1938) und meinen Vater Hasan (1941). Diese Kinder erhielten, im Gegensatz zu den Kindern aus den vorigen Beziehungen Kazim Ali Khans, den Vornamen ihres Vaters als Familiennamen. Es stand Eltern in Indien frei, ihren Kindern den Vor- oder Nachnamen des Vaters als Familiennamen zu geben. Und auch heute noch variiert die Namensgebung in Indien und Pakistan regional.
Während Baji bei ihrer Stiefmutter und ihren deutlich jüngeren Geschwistern aufwuchs, lebte Wajid bei seiner Mutter Jhammi, die sich nach der Hochzeit Kazim Ali Khans mit Afsar Begum eine neue Bleibe suchen musste – sie bekam Hausverbot. Und Afsar Begum sah es auch nicht gern, wenn ihre Kinder ihren Halbbruder besuchten.
»Bist du trotzdem zu ihm gefahren?«, frage ich meinen Vater.
»Wir waren ab und zu dort.
Weitere Kostenlose Bücher