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Gruenkohl und Curry

Gruenkohl und Curry

Titel: Gruenkohl und Curry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hasnain Kazim
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reisten getrennt mit anderen Verwandten, auch sie hatten sich für ein Leben in Pakistan entschieden. Afsar Begum sah ihr Elternhaus zum letzten Mal. Nie wieder sollte sie nach Lucknow, nie wieder nach Indien zurückkehren.
    »Erinnerst du dich noch an den Tag eurer Abreise?«, frage ich meinen Vater.
    »Nein, aber ich weiß noch, wie wir tagelang unterwegs waren, zuerst zu Fuß zum Bahnhof Char Bagh und dann mit dem Zug in Richtung Bombay.«
    Es muss eine mehrtägige Höllenfahrt gewesen sein.
    »Der Zug wurde mehrmals überfallen. Wir hatten Glück, dass von unseren Sachen nichts wegkam.« Mein Vater erinnert sich nur dunkel an die Zugfahrt, seine Geschwister berichten von gedrückter Stimmung, kaum jemand redete. Männer und Frauen hielten Säcke mit ihrer Habe auf dem Schoß umklammert.
    Wer kein Geld hatte, hungerte. Andere kauften sich bei den vielen Zwischenstopps etwas zu essen, Händler kamen mit ihren Bauchläden an die Abteile und reichten Currys in Tellern aus Bananenblättern, Fladenbrote, Säfte und Obst hinein. Muslimische Verkäufer boten »muslimische Ware« an, hinduistische Händler verkauften »hinduistische Ware«. In dem Zug nach Bombay saßen Muslime auf dem Weg nach Pakistan strikt getrennt von den Hindus, die auf Geschäftsreise oder auf dem Weg zum Familienbesuch waren.
    »Wir mussten aufpassen, wem wir was erzählten«, sagte mir eine Tante. »Ich hatte sogar immer ein
Bindi
in der Handtasche, einen Punkt, den ich mir auf die Stirn kleben konnte, damit ich aussah wie eine Hindu-Frau. Es gab mehrere Situationen, in denen mir das Bindi sehr geholfen hat.«
    Schizophrenie war Teil der Überlebensstrategie.
    Gelegentlich halfen mitleidige Hindu-Frauen muslimischen Frauen mit einem Bindi aus ihrer Handtasche aus, wenn wieder mal hinduistische Sicherheitskräfte Muslime drangsalierten.
    »Einmal kamen Polizisten in den Zug, sie hatten Hindu-Namen und waren sehr aufgebracht, weil Muslime einen ihrer Kollegen massakriert hatten. Sie gingen durch die Züge und führten willkürlich Muslime zu Verhören ab. Ich möchte nicht wissen, was sie mit denen gemacht haben. Mich ließen sie zufrieden, weil sie den roten Punkt auf meiner Stirn sahen. Sie haben meine Papiere, Allah sei Dank, nicht kontrolliert, sonst hätten sie meinen islamischen Namen bemerkt.«
    Nach drei Tagen kamen Kazim Ali Khan, Afsar Begum und die fünf Kinder erschöpft in Bombay an. Die Kleidung klebte am Körper, die Familie hatte wegen der permanenten Angst vor Überfällen und Kontrollen kaum geschlafen.
    Das also war die Stadt, die die Briten so liebten und die sie über die Jahrzehnte ihrer Kolonialherrschaft architektonisch nach ihrem Geschmack geprägt hatten. »Urbs Prima In Indis« steht auf dem Gateway of India, dem Triumphbogen von Bombay, der zwanzig Jahre zuvor, 1927, zu Ehren des britischen Königs Georg V. errichtet worden war.
    »Wir mussten vom Bahnhof in Bombay zu einer Zeltstadt in Chowpatty gehen, einem Lager für Flüchtlinge auf dem Weg nach Pakistan«, erzählt mein Vater. »Unser Gepäck lagerten wir ein, das war vorgeschrieben. Widerwillig gaben wir unsere Sachen ab, meine Mutter hatte Angst, dass sie in dem Chaos verloren gehen könnten oder gestohlen würden.«
    In dem Lager herrschten unerträgliche Zustände: Es stank nach Fäkalien, Urin und Erbrochenem, überall lagen schwache, kranke, dahinsiechende Menschen, andere beweinten auf der Flucht verstorbene Angehörige oder klagten über Verwandte, die die gefährliche Reise scheuten und daher zurückgelassen werden mussten.
    Die Familie blieb mehrere Tage in der Zeltstadt. Dann legte die »Dwarka« im Hafen von Bombay an, das Schiff, das die Familie nach Karatschi bringen sollte. Die Reederei
British India Steam Navigation Company
hatte den Flüchtlingsstrom in beide Richtungen zwischen Pakistan und Indien als Geschäftsfeld entdeckt und mit zwei Schiffen einen Fährbetrieb eingerichtet. Meine Großeltern, mein Vater und seine Geschwister bekamen im Unterdeck einen Schlafplatz zugewiesen: auf dem Fußboden.
    »Das Schiff war völlig überfüllt, es wollten so viele Menschen mit«, sagt mein Vater.
    Sein drei Jahre älterer Bruder, mein Onkel Ali, erzählte mir, dass es trotz der Enge eine schöne Reise für die Kinder gewesen sei: die erste Seefahrt. »Während dieser eineinhalbtägigen Fahrt habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Fisch gegessen.«
    Ihr Gepäck musste die Familie auf dem Schiff erneut abgeben. Dort wurde es dann gestohlen, jedenfalls war

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