Grünmantel
Tony. Ich war gestern abend nicht so weit weggetreten, daß ich nicht gesehen hätte, was Sie mit sich rumschleppen. Eine Maschinenpistole, stimmt’s? Aber bestimmt haben Sie eine Lizenz dafür, oder?«
»Also, ehrlich gesagt ...«
»Wo also liegt der Unterschied, Tony?«
Valenti dachte daran, daß er auch Ali beinahe eine Pistole mitgegeben hätte. Frankie hatte das gleiche Recht, doch wenn er berücksichtigte, was Frankie durchgemacht hatte ...
»Also schön. Aber ich sage Ihnen gleich, daß eine Waffe keine Probleme löst. Sie ist nur ein Werkzeug. Denken Sie ja nicht, Sie seien jetzt ein anderer, stärkerer oder besserer Mensch, nur weil Sie eine Pistole in der Hand halten. Wenn Sie sie aus der Tasche ziehen, müssen Sie auch bereit sein, sie zu benutzen. Und wenn Sie sie benutzen, müssen Sie damit rechnen, jemanden zu treffen - verstehen Sie, was ich damit sagen will? Und auf keinen Fall dürfen Sie überheblich werden, besonders wenn Sie es mit Ihrem Exmann zu tun haben, denn auch er wird eine Waffe tragen. Sie müssen immer damit rechnen, daß der, auf den Sie schießen, auch zurückschießt.«
»Ich habe darüber schon nachgedacht, glauben Sie mir. Lange nachgedacht. Ich freue mich nun wirklich nicht darauf, denn ich will keine schießwütige Revolverlady werden - wie eine von denen, die Sie studiert haben. Andererseits muß ich etwas unternehmen. Ich will nicht noch einmal zum Opfer werden. Außerdem muß ich an Ali denken. Ich kann nicht erwarten, daß Sie uns vierundzwanzig Stunden lang am Tag bewachen. Niemand soll das für uns tun. Ich weiß sehr zu schätzen, was Sie bisher für uns getan haben, Tony, aber ich muß selbst die Verantwortung für uns übernehmen.«
»Sicher«, nickte Valenti. »Das ist auch der Grund, warum Sie wieder hierhergezogen sind.«
»Sobald das hier beendet ist - auf die eine oder andere Weise -, werde ich die Pistole so schnell loswerden, daß Ihnen dabei schwindlig würde.«
»Das glaube ich Ihnen gern.« Er zögerte und spielte mit seinem Kaffeebecher, ehe er sie wieder ansah. »Hören Sie, ich muß Ihnen etwas gestehen. Ich habe nie Untersuchungen über das organisierte Verbrechen durchgeführt. Ich möchte ehrlich zu Ihnen sein. Ich respektiere Sie und möchte nicht, daß irgendeine Lüge oder sonstwas zwischen uns steht. Was Ali Ihnen erzählt hat, stammt nicht von mir. Sie hat sich das zurechtgelegt, weil ... Ich weiß nicht, warum. Vielleicht wollte sie Sie schützen. Wahrscheinlich dachte sie, Sie würden nie erlauben, daß wir Freunde werden, wenn Sie die Wahrheit erführen.«
Frankies Finger krampften sich um den Griff des Bechers. »Was ... was wollen Sie damit sagen, Tony?«
»Ich war einer dieser Jungs ... ich gehörte zu einer Familie, verstehen Sie? Aber ich habe nie einer Frau oder Kindern etwas zuleide getan, und wir hatten auch nichts mit Rauschgift oder Prostitution zu tun. Nicht, solange der alte Don noch padrone war. Aber ich gehörte zur Mafia.«
Frankie sagte nichts darauf. Sie saß nur da, sah ihn an und fragte sich, wieso seine Enthüllung sie kaum erschreckte. Vielleicht weil sie Tony nun schon besser kannte. Auch wenn er sich offenbar gut mit Waffen und illegalen Machenschaften auszukennen schien - wieso kam er ihr nicht wie ein Verbrecher vor?
»Und was war weiter?« fragte sie schließlich.
Valenti schilderte ihr in wenigen Worten, wie es dazu gekommen war, daß die fratellanza einen Kontrakt auf ihn aussetzte. Er berichtete ihr von Mario und dem fehlgeschlagenen Mordversuch auf Malta, erzählte ihr, wie er schließlich nach Lanark gekommen und hier untergetaucht war, bis ihr Exmann ihn erkannt und ihm die Vettern aus der Familie auf den Hals geschickt hatte. »Sie sehen«, beendete er seine Schilderung, »daß sich für mich die Dinge schon geändert hatten. Das Leben hier ... ich habe es nicht so empfunden, als würde ich im Exil leben. Es war so, als hätte ich nie etwas mit den Familien zu tun gehabt. Wenn ich daran dachte, wer ich früher gewesen war, kam ich mir selbst vor wie ein Fremder. Ich hatte wirklich gerade angefangen, alles hinter mir zu lassen. Und jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll. Meine Vergangenheit hat mich wieder eingeholt, und das gefällt mir nicht. Aber diesmal kann und will ich nicht mehr davor davonlaufen. Da geht es mir genauso wie Ihnen.« Er sah sie an. »Es ist schon merkwürdig, wissen Sie. Ich wollte schon wieder fliehen und irgendwo anders untertauchen, doch dann kam Ali und hat es mir ausgeredet.
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