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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
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Pistole mit einem Zylinder, weil dasselbe Ding, das die leere Patrone auswirft, auch die nächste in den Lauf schiebt und dabei fast den ganzen Rückstoß absorbiert. Ich werde Sie heute mit beiden Waffen schießen lassen, aber ich bin überzeugt, Sie werden diese hier vorziehen. Sie ist leichter und einfacher zu bedienen ...«

    Ali blieb stehen, als sie oberhalb von Lewis’ Hütte aus dem Wald traten. Von ihrem Standort aus konnte sie den Alten nicht sehen, doch aus dem Schornstein stieg Rauch auf. Also war bestimmt jemand zu Hause. Wo sollte er auch hingehen?
    »Komm weiter«, sagte Mally.
    Ali rührte sich nicht. »Ich habe gerade nachgedacht«, meinte sie. »Vielleicht sollte ich besser mit jemand anderem sprechen - zum Beispiel mit der Lady, mit der ich gestern getanzt habe.«
    »Mit Lily?«
    »Ja, mit ihr.«
    »Wozu?«
    »Also, ich weiß, wie du denkst, und ich weiß, was Lewis mir erzählt hat. Aber ich weiß nicht, was die anderen Dorfbewohner denken. Sie sind ja schließlich nicht alle so wie Lewis, nicht wahr?«
    Mally schüttelte den Kopf. »Lewis ist wirklich anders - wie auch Tommy, aber jeder auf verschiedene Weise.«
    »Das dachte ich mir. Ich spräche gern mit Lily - nur um alles vielleicht aus einer anderen Perspektive kennenzulernen.«
    »Du könntest ja auf einen Baum klettern«, schlug Mally grinsend vor.
    Ali lachte. »Dabei erführe ich aber nichts. Weißt du, wo Lily wohnt?«
    »Sicher.«
    Das wilde Mädchen schlenderte auf das Dorf zu. Ali folgte ihr nach einem letzten Blick auf Lewis’ Hütte. Vor ihnen wurde das Unterholz so dicht, daß ein Durchkommen unmöglich schien. Doch Ali fand schnell heraus, daß es ganz einfach war, wenn sie sich dicht hinter Mally hielt. Das wilde Mädchen folgte einem gewundenen Pfad, der sich durch das Dickicht schlängelte. Plötzlich standen sie auf einer kleinen Weide. Einige Kühe hoben die Köpfe und beäugten neugierig die beiden Eindringlinge.
    »Dort drüben wohnt Lily«, sagte das wilde Mädchen, als sie das andere Ende des Dorfes erreichten. Dabei zeigte sie auf eine malerische kleine Hütte. Wilde Rosen rankten sich an den Steinwänden hinauf.
    »Kommst du nicht mit?« fragte Ali.
    »Nein, ich warte hier auf dich.«
    Ali blieb stehen. »Du magst Lily nicht?«
    »Oh, ich mag sie schon. Aber ich kenne sie kaum. Und nun geh schon.«
    Ali ließ ihren Wanderstock bei dem wilden Mädchen zurück und ging allein weiter. Sie empfand ein wenig Scheu, als sie sich der Tür näherte, doch ehe sie es sich anders überlegen konnte, wurde sie geöffnet, und Lily trat heraus. Die Runzeln im Gesicht der alten Frau verzogen sich zu einem Lächeln.
    »Welch nette Überraschung«, sagte sie. »Komm herein.«
    »Ich möchte aber nicht stören.«
    »Unsinn. In der letzten Zeit sehen wir hier im Dorf viel zu wenig neue Gesichter. Ich freue mich, daß du gekommen bist.« Lily schob Ali nach drinnen. Die Hütte hatte nur ein großes Zimmer, das in einen hübschen Wohnraum, eine kleine Küche und einen Schlafraum unterteilt war. Die Steppdecke auf dem Bett ist herrlich, dachte Ali. Ihre Mutter wäre begeistert gewesen. Als sie sie genauer betrachtete, bemerkte sie, daß sie ganz von Hand gearbeitet war.
    »Das ist sehr schön«, sagte sie.
    »Vielen Dank - wie war doch der Name gleich? Ali, richtig? Ich habe dafür einen ganzen Winter gebraucht - damals, als Jevon noch lebte. Jevon war mein Mann.«
    Ali nickte und warf einen Blick auf das sepiabraune Foto auf dem Nachttisch. »War er das?«
    »Ja. Ein hübscher Teufel, nicht wahr?«
    »Wer hat das Foto gemacht?« fragte Ali, die eigentlich den Eindruck hatte, daß die Leute von New Wolding kaum über moderne Errungenschaften verfügten. Wo mochten sie wohl den Film entwickelt haben?
    »Lewis’ Sohn Edmond hat es gemacht. Ehe er das Dorf für immer verließ, ist er öfter zwischen der Außenwelt und dem Dorf hin- und hergependelt. Vor einem Jahr ist er dann mit den Zigeunern fortgegangen und nicht mehr wiedergekommen.«
    »Mit den Zigeunern? Sie sprechen von echten Zigeunern?« Ali erinnerte sich, daß Lewis sie einmal erwähnt hatte.
    Lily nickte. »Sie kommen ein- oder zweimal im Jahr hierher - nur eine Familie. Die Grys. Schon solange ich denken kann, ist Jango - heute schon selbst Großvater - mit seiner Familie hergekommen. Von ihnen bekommen wir, was wir nicht selbst anbauen oder anfertigen können. Zucker, Tee oder Gewürze - solche Dinge. Lewis war sehr traurig, als Edmond mit ihnen fortging.«
    »Warum ist er

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