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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
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Sie erklärte mir, daß ich mich diesmal meiner Vergangenheit stellen müsse.« Er schüttelte den Kopf. »Ja, sie ist schon ein merkwürdiges Kind.«
    Die Kaffeekanne war leer. Frankie stand auf und stellte neues Wasser auf. Sie stand am Herd und wärmte die Hände an der Platte, obwohl es in der Küche nicht kalt war. Die Kälte, die sie spürte, kam aus ihrem Innern.
    Was ist eigentlich mit mir los? fragte sie sich. Dieser Mann ist genauso wie Earl - nur ein paar Nummern größer. Aber dann schüttelte sie den Kopf. Nein, Tony war nicht wie Earl. Ganz und gar nicht. Er war in der Familie aufgewachsen, hatte nie etwas anderes gekannt. Wenn seine Vorbilder, der Vater, die Onkel und Großväter alle Verbrecher gewesen waren, wie sollte ein Junge, der in diesem Milieu aufwuchs, daran etwas Falsches finden? So war das Leben nun einmal.
    Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn an. Du liebe Güte, man konnte auch alles vernunftmäßig sehen! Sie mußte herausfinden, ob sie ihn nur verstand, weil sie ihn brauchte, weil sie auf seine Erfahrung und die Fähigkeiten angewiesen war, die er aus jenem anderen Leben besaß, oder ob sie ihn brauchte, weil er Valenti war.
    »Ich fürchte, das ändert die Dinge«, meinte Valenti schließlich.
    »Ja, es ändert sie«, nickte sie. »Aber ich bin mir nicht sicher, auf welche Weise.«
    Er sah sie mit gerunzelter Stirn an. Sie merkte, daß sie lächelte.
    »Ich mochte Sie von Anfang an«, sagte Frankie. »Doch viel wichtiger war, daß Ali Sie von Anfang an mochte. Ich weiß aus Erfahrung, daß sie andere Menschen sehr gut zu beurteilen weiß. Es ist häufiger vorgekommen, daß ich mit einem Mann nach Hause kam, und sie sagte kein Wort. Dann wußte ich genau, daß sie nicht viel von ihm hielt. Dummerweise hatte sie gewöhnlich damit recht. Ich hatte nie eine glückliche Hand, was die Männer in meinem Leben betraf - nicht nur bei meinen Liebhabern, sondern auch sonst. Und jetzt lerne ich jemanden kennen, den Ali und ich mögen, und dann ...«
    »Aber ... ich wollte Ihnen ...«
    »... nicht zu nahe treten, ich weiß, Tony. Aber ich mag Sie. Nur ist meine Gefühlswelt im Moment völlig durcheinander. Mir sitzt der Schreck von gestern abend noch in den Knochen, und dann ist da Earl, mit dem ich fertigwerden muß ... Ich brauche Sie jetzt dringend, Tony - für das, was Sie können, für das, was Sie sind. Ihre Vergangenheit ist es, die mir Sicherheit gibt - und das Gefühl, daß alles gut wird, daß Earl mich nicht mehr fertigmachen kann, daß dieser andere Mann - sollte er zurückkommen - mir nicht mehr weh tun kann.«
    Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Ich möchte nie mehr von jemandem abhängig sein, das habe ich Ihnen schon gesagt. Aber es ist schön und anscheinend auch heilsam für mich, einen Freund zu haben, auf den ich mich verlassen kann.«
    »Ich werde Ihr Freund sein«, erwiderte Valenti. »Ich kenne solche Typen, wie ich einmal einer war. Aber keine Sorge, ich werde Ihre Situation nicht ausnutzen. Wenn dieser ganze Mist vorbei ist, kann jeder von uns seiner Wege gehen.«
    »Das habe ich damit nicht sagen wollen, Tony.«
    »Was wollten Sie denn sagen?«
    »Ach, ich weiß es nicht. Ich habe es zwar auf der Zunge, kann es aber nicht in Worte fassen.«
    Das Wasser kochte, und sie war für die Unterbrechung dankbar. Während der Kaffee durch den Filter lief, setzte sie sich zu ihm an den Tisch.
    »Kurz bevor Sie aufwachten, habe ich einen Anruf von Mario bekommen.«
    Frankie war ihm dankbar für den Themenwechsel. »Hat er gesagt, wie es Ihrem Freund geht?«
    »Den Umständen entsprechend gut. Er liegt auf der Intensivstation, aber die Ärzte sind ziemlich sicher, daß er durchkommt. Ich wüßte gern, wie Mario es angestellt hat, daß man die Polizei nicht eingeschaltet hat. Immerhin war’s eine Schußverletzung. Er erzählte mir aber, alles ginge glatt. Er rief mich aus Ottawa an.«
    »Er kommt nicht zurück?«
    »Ich glaube nicht. Er sagte mir, er habe in New York was Geschäftliches zu erledigen.«
    Frankie fragte ihn nicht, was das zu bedeuten hatte. Sie wollte es nicht wissen. Inzwischen war der Kaffee durchgelaufen, und sie stand auf und füllte die Becher.
    »Was denken Sie eigentlich von mir?« fragte sie, als sie sich wieder gegenübersaßen. »Was sehen Sie, wenn Sie mich anschauen?«
    Sie konnte anscheinend nicht umhin, das Gespräch auf sie beide zurückzulenken. Aber sie hatte den Schock der letzten Nacht noch nicht überwunden, und dazu kam die alte Angst,

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