Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
Vom Netzwerk:
daß alle Männer in ihr nur ein Objekt sahen, das sie ganz nach Lust und Laune benutzen konnten. Die versuchte Vergewaltigung war nur der überspitzte Ausdruck dessen, was ihr mit ihren Bekanntschaften ständig passierte. Die Männer luden sie zum Essen oder zum Kino ein, und zum Schluß lief es immer darauf hinaus, ihr den Schwanz zwischen die Beine zu schieben und sich auf ihr auszutoben. Meistens hörte sie danach nie wieder etwas von ihnen.
    Aber wieso zog sie immer wieder solche Männer an? Was hatte sie an sich, daß solche Kerle auf sie flogen? Oder stimmte irgendwas in ihrem Innern nicht mit ihr? Gab es da irgendeinen Freudschen Komplex, der davon herrührte, wie ihr Vater ihre Mutter behandelt hatte - und auch sie -, so daß sie sich immer Männer suchte, die so waren wie er?
    Diese Frage stellte sie sich nicht zum ersten Mal, und jedesmal sorgte sie bei ihr erneut für Verwirrung.
    »Ich muß Ihnen gestehen, daß ich nie eine besondere Beziehung zu Frauen hatte«, erklärte Valenti. »Ich habe sie zwar nie grob behandelt oder so, hatte aber auch nie Interesse an einer längeren Beziehung, wenn Sie verstehen, was ich meine. Aber letzte Nacht habe ich über Ali nachgedacht, und mir wurde klar, daß ich alles darum gäbe, ein Kind wie sie zu haben. Und auch an Sie mußte ich denken ...« Er räusperte sich umständlich. »Ich weiß, ich habe gesagt, ich würde Ihnen nicht zu nahe treten. Aber ich mußte an Sie denken - und habe mir in dem Augenblick gewünscht, ein anderer Mensch zu sein und die Chance zu haben, mit jemanden wie Ihnen zusammenzusein - auf Dauer, verstehen Sie?«
    »Aber warum? An mir ist doch nichts Besonderes, Tony. Ich bin doch nur ...«
    »Unsinn, natürlich sind Sie was Besonderes.« Als spräche ich mit Ali, dachte er. »Es ist nicht Ihr Aussehen - was sensationell ist, muß ich Ihnen gestehen - nein, es ist die Art, wie Sie sich geben. Es ist das, was Sie in sich tragen. Und ich verrate Ihnen noch etwas: An ihren Kindern kann man vieles über die Menschen herausfinden. Sie haben Ali allein aufgezogen, und Sie haben dabei verdammt gute Arbeit geleistet, Frankie. Ein Mensch, der so etwas schafft, ist in meinen Augen was ganz Besonderes, das möchte ich Ihnen sagen.«
    Frankie streckte den Arm aus und legte ihre Hand auf seine. »Das meinen Sie ernst, nicht wahr?«
    »Sehr ernst.« Er betrachtete ihre Hand auf seiner und sah sie an.
    »Das zu hören, war dringend notwendig für mich. Offenbar ist vieles im Leben für mich dringend notwendig.«
    »Ich denke, das geht uns allen so. Wir brauchen Bestätigung. Daran ist nichts verkehrt. Nur ist es meistens so, daß niemand sie uns gibt.«
    Frankie nickte. Sie drückte seine Hand, ließ sie los und griff nach ihrem Kaffeebecher. Ihre Hand zitterte leicht. Sie hoffte, daß Tony es nicht bemerkte.
    »Sie und ich«, sagte er plötzlich, »im Grunde sind wir uns sehr ähnlich.«
    »Ich bin froh, daß wir miteinander reden konnten.«
    »Ja, ich auch.«
    Valenti empfand plötzlich schmerzlich ihre Trennung durch den Tisch. In ihren Augen stand ein Versprechen, aber es gab keine Möglichkeit, herauszufinden, was es war. Nicht jetzt, nicht heute. Nicht unmittelbar nach allem, was sie erduldet hatte - und vor dem, was noch auf sie zukam. Doch wenn alles vorüber war und sie ihn nicht mehr dafür brauchte, was er einmal gewesen war, dann wollte er herausfinden, ob sie ihn dafür brauchte, was er jetzt war. Er schob die Kaffeebecher beiseite, holte Bannons Automatik und ein Reinigungs-Set.
    »Nun, ehe wir auf einen Baum schießen, lernen Sie jetzt, wie diese kleine Schönheit funktioniert. Dieses kleine Ding hier ...«
    Er hielt inne, als sie seine Hand berührte. »Danke«, sagte sie nur.
    Valenti wußte, was sie meinte. Das Versprechen stand immer noch in ihren Augen, und sie schimmerten jetzt noch verheißungsvoller. Ihn durchrann ein heißes Glücksgefühl, und er fühlte sich ihr sehr nahe. Er räusperte sich. Sie nahm ihre Hand weg, strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn und beugte sich vor. Er holte tief Luft und begann von vorn.
    »Okay, das ist also der Sicherungshebel. Wenn er oben ist, kann die Waffe nicht losgehen. Sehen Sie, Sie können sogar den Abzug drücken, und es geschieht nichts.« Er ließ das Magazin aus dem Kolben herausgleiten und zeigte es ihr. »Das ist das Magazin. Es faßt zwölf Patronen. Man nannte solche Waffen, als sie zur Jahrhundertwende auf den Markt kamen, Selbstlader. Sie hat keinen so starken Rückstoß wie eine

Weitere Kostenlose Bücher