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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
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hat vor, Old Hornie - das Mysterium - heute abend zu sich zu rufen, aber ich glaube auch, daß sie gerade lernt, ein Geheimnis wie ich zu werden.«
    »Deine Erklärung ist nicht gerade aufschlußreich.«
    »So ist sie immer«, murmelte Valenti.
    »Bitte, Tony.« Frankie sah das wilde Mädchen an. »Ich bin Alis Mutter und mache mir große Sorgen. Warum muß sie denn unbedingt dieses Mysterium zu sich rufen? Was geht da draußen vor?«
    »Und wieso ist sie nicht selbst gekommen und hat uns selbst von ihrem Vorhaben erzählt?« fügte Valenti hinzu.
    »Ich bin im Wald viel schneller als sie«, beantwortete Mally zuerst Valentis Frage. »Was sie da draußen macht - und warum, das muß sie euch selbst erklären, wenn ihr nicht von allein darauf kommt. Ich tue es nicht, weil manche Dinge sich nicht erklären lassen, andere nicht erklärt werden sollten und wieder andere ihren Sinn verlieren, sobald sie erklärt worden sind.«
    »Ist sie in Gefahr? Beantwortest du mir wenigstens diese Frage?« fragte Frankie.
    Mally sah sie lange an und streckte schließlich die Hand nach dem Geweih aus. Mit dem Fingernagel folgte sie der Krümmung einer Sprosse, begann an der Wurzel und umrundete ihn bis zur Spitze, wo ihr Finger nur noch Luft berührte. Den Vorgang wiederholte sie noch zweimal, wobei sie beim dritten Mal das Geweih aufhob und es leicht schüttelte. Die Perlen rasselten leise, als sie gegen den Knochen schlugen. Mally reichte Frankie das Geweih. »Das ist für dich«, sagte sie.
    Frankie nahm es zögernd entgegen. »Das ...?«
    »... ist etwas ganz Besonderes«, erklärte Mally. »Das Mysterium hat es vor ein oder zwei Jahren abgeworfen, und seitdem habe ich es aufbewahrt. Wir brauchen ein Geweih, um das Mysterium zu rufen, aber Ali wollte, daß du dieses hier bekommst.«
    »Aber was tut es ... wozu ist es gut?«
    Mally zuckte die Schultern. »Ali meinte, es gefiele dir. Ich habe die Gravuren und den Behang selbst gemacht.«
    Frankie sah erst Valenti, dann das wilde Mädchen an. »Ich danke dir.« Offensichtlich war Mally stolz darauf, wie sie das Geweih geschmückt hatte, und tatsächlich besaß es einen gewissen primitiven Charme. Eine Aura des Wohlwollens ging davon aus, das spürte Frankie ganz deutlich, als sie es näher betrachtete. Mit festem Griff nahm sie es entgegen.
    »Bitte, Mally«, sagte sie schließlich, »wird meiner Tochter auch nichts geschehen? Dies ist wirklich kein Spaß für mich - ich bin ganz krank vor Sorge. Ich muß wissen, daß ihr nichts passiert, wenn sie ... wenn sie mit dir das macht ... was immer ihr da vorhabt.«
    »Wird ihr nichts geschehen?« wiederholte Mally. »Ich weiß es nicht. Sie ruft das Mysterium zu sich. Wenn es kommt, wird sie ... anders sein. Aber sie hat sich ja schon verändert, so wie die Dinge stehen. Sie ist schon einmal zum Herz des Mysteriums vorgedrungen, und wenn es heute nacht zu ihr spricht ...« Ihre Schultern hoben und senkten sich. »Alles ist gefährlich. Sie wird nicht körperlich in Gefahr sein - nicht daß ich wüßte -, aber sie muß stark sein im Herzen, damit sie heute nacht nicht von dem Wunder hinweggefegt wird, das sie erlebt.«
    Valenti dachte an die Hunde, die wie Menschen aussehen konnten oder wie Menschenhunde. »Was ist mit der Meute?« fragte er.
    Mally sah Valenti an, wobei ihr Blick durch ihn hindurchzugehen schien, als sähe sie in weite Ferne. »Ich weiß es nicht«, sagte sie leise. »Ich weiß nur, daß in euch beiden das Feuer stark brennt - aber es brennt reiner in Ali. Wenn jemand das Mysterium befreien kann - von den Zeremonien, von der Verehrung, von Nichtachtung, sogar von den Hunden -, dann wird es jemand wie sie sein.« Ihr Blick wurde wieder klar und blieb an der UZI hängen. »Außerdem habt ihr euch heute nacht hier einer anderen Gefahr zu stellen, nicht wahr? Wo ist Ali eurer Meinung nach sicherer? Im Wald, wo die Geheimnisse über sie wachen, oder hier?«
    »Großer Gott«, stöhnte Frankie, »ich weiß es nicht. Was sie vorhat, was du da erzählst - das alles macht mir angst.«
    »Aber nur, weil du es nicht verstehst. Das Unbekannte muß doch nicht immer schlimm sein.«
    Valenti dachte daran, was heute abend hier passieren konnte. Es war schon schlimm genug, eine Amateurin an seiner Seite zu haben. Konnte er sich wirklich wünschen, auf eine zweite achtgeben zu müssen?
    »Ich denke, Ali sollte das tun, was sie vorhat«, meinte er zu Frankie. »Sie ist Ihre Tochter, und somit ist es auch Ihre Entscheidung, aber das ist meine

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