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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles de Lint
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Möbel im Wohn- und Eßzimmer auf- und umzustellen. Als die Uhr schließlich später als zehn anzeigte, waren sie beide so müde, daß sie kaum die Augen offenhalten konnten.
    »Gute Nacht«, murmelte Ali und schlurfte zu ihrem Zimmer.
    Frankie fuhr ihr durchs Haar und gab ihr einen Kuß auf die Stirn. »Bis morgen dann, Schätzchen.«
    Es wird alles gut werden, dachte Frankie, während sie sich in ihrem Schlafzimmer auszog und ins Bett schlüpfte. Gott sei Dank, es würde okay sein. Sie hatte das Gefühl, daß sich für sie beide am Ende doch noch alles zum Guten wendete. Sie betrachtete die ungewohnten Schatten in ihrem neuen Schlafzimmer, rollte sich dann auf die Seite und schlief mit einem Lächeln ein.

    Als das letzte Licht erlosch, regte sich zwischen den Bäumen hinter dem Haus eine Gestalt. Sie hob den Kopf, als wittere sie in den Wind, und kroch dann langsam vorwärts. Als sie beim Haus anlangte, fuhr sie mit den Fingern über die Verschalung der Verandatür, und die Fingernägel verursachten ein kratzendes Geräusch. Dann zog sie sich zurück.
    Der Schein der Sterne schimmerte auf Gebilden mitten im Haar, die zwei kleine Hörner sein konnten, oder auch Reflexe der Knochenornamente, die die Gestalt in den dunklen Locken trug. Ein Beobachter, hätte es einen solchen gegeben, wäre wohl kaum in der Lage gewesen, das in dem schwachen Licht genau zu erkennen.
    Mit einem Nicken nahm die Gestalt einen Hut aus dem Gürtel und zog ihn über das dunkle Haar. Dann kehrte sie zum Wald hinter dem Haus zurück und huschte so anmutig und geschickt zwischen den Bäumen davon wie ein Reh.

KAPITEL ZWEI
    Nachdem Ali verschwunden war, machte Valanti sich daran, das gemähte Gras zusammenzurechen. Er arbeitete langsam und dachte dabei über das Mädchen nach. Er wußte nicht, was die Kleine an sich hatte, aber sie war die erste Person, der er ganz entspannt begegnete, seit er vor ein paar Jahren so tief in die Scheiße geraten war. Sie war ein niedliches Ding - etwas dünn, sicher, aber er stand ohnehin nicht auf Kinder. Er mochte sie einfach. Irgend etwas an ihr löste die ständige Anspannung in ihm, die er in Gegenwart anderer Leute empfand. Er rief sich nochmals ihre Unterhaltung ins Gedächtnis und mußte unwillkürlich lächeln, als er an ihr ›Mr ... äh ... Tony‹ dachte. Er hoffte, sie würde wiederkommen, hoffte, daß ihre alte Dame nicht auf den Gedanken kam, er sei irgendso ein pervertito , der seine Neigung an ihrer kleinen Tochter ausleben wollte.
    Yeah, dachte er, während er das geschnittene Gras auf die Schubkarre lud. Er hätte sie gern wiedergesehen. Er war gewöhnlich einigermaßen freundlich zu jedem, dem er in der Gegend begegnete, aber das war nur äußerlich. Er mußte vorsichtig sein - die fratellanza hatte ihre Finger überall und in allem. Er mußte es schließlich wissen. Und wenn jemals herauskam, daß er hier oben war ... Aber man konnte sich doch nicht auf immer und ewig verstecken. Und ein Einsiedler gab ebensoviel Anlaß zu Gerede wie ein Großmaul und Angeber. Man mußte es ausbalancieren, versuchen, die goldene Mitte zu finden, durfte dabei aber nie den eigenen Schutz vergessen.
    »Sei kein Blender«, hatte Mario ihm beigebracht. »Keiner mag Angeber, du verstehst, was ich meine? Sei aber auch nicht zu bescheiden, sonst respektiert man dich nicht. Bleib sauber und höflich, und jeder wird dich mögen und sich nicht allzusehr das Maul über dich zerreißen. In unserem Geschäft ist das der Lauf der Welt, Tony. Così fan tutti .«
    Was auch ganz okay war, wenn man seine Familie um sich hatte. Aber für einen Burschen in seiner Situation war es hier doch ziemlich einsam und langweilig. Manchmal wollte man sich einfach zu jemandem setzen können und alles leichtnehmen - sich einfach gehenlassen, sich entspannen. Und wenn dann dieser Jemand nur ein dürres kleines Mädchen war - nun, das war eben der Lauf seiner Welt.
    Er kippte das Gras neben die Scheune, verstaute drinnen die Schubkarre und den Rechen und kehrte ins Haus zurück, um eine Dusche zu nehmen. Danach wischte er den Dampf vom Spiegel und betrachtete sich darin. Er hatte wohl bemerkt, wie das Kind seine Narben betrachtete. Er sollte wirklich vorsichtiger sein - aber zum Teufel damit. Wenn er von nun an nur noch in Anzug und Weste herumlaufen durfte, konnte er ebensogut gleich in den Knast gehen.
    In der Szene ging das Gerücht, die Bundesbehörden hätten ihn in das Zeugenschutz-Programm aufgenommen und wollten ihn als Kronzeugen

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