Grundlagen Kreatives Schreiben (German Edition)
Goldberg schlägt 50 Wiederholungen vor, ich habe mir erst mal nur zwei handschriftliche Seiten vorgenommen. Ein gewisses Ziel sollte man sich vornehmen, damit man, um es zu erfüllen, auch gezwungen ist, solche Ideen zu notieren, die erst einmal schlecht oder abwegig zu sein scheinen.
Neue Entwicklungsmöglichkeiten
Mithilfe dieser Methode habe ich den Kern meiner Kurzgeschichte immer wieder umkreist und ihn aus neuen Perspektiven betrachtet. Mir sind Entwicklungsmöglichkeiten aufgefallen, an die ich vorher nicht gedacht habe und eine Metapher, die mir im Moment sehr passend erscheint, ist auch dabei abgefallen.
Der Schreibfluss hat Vorfahrt
Zu den unangenehmsten Momenten des Schreibens gehört es, wenn man nicht vorwärts schreibt, sondern rückwärts denkt. Man liest, was man gerade geschrieben hat, bewertet, ändert, ändert noch mal, verwirft es. Ein armer Satz wird so lange poliert, bis er in seine Einzelteile zerfällt und überhaupt nichts mehr bedeutet. „Ich kann erst weiterschreiben, wenn der Einstieg stimmt“, denken wir.
Aber das ist ein Fehler, denn die Schreibforschung hat herausgefunden, dass der Einstieg erst stimmen wird, wenn wir weiterschreiben und allmählich herausfinden, wie der Einstieg aussehen soll.
Nach vorne denken
Die Devise „Der Schreibfluss hat Vorfahrt.“ gilt nicht nur bezogen auf den Texteinstieg, sondern immer. Nichts ist für gelingendes Schreiben wichtiger, als im Fluss zu bleiben. Das ist so einfach gesagt, fühlt sich jedoch zunächst fürchterlich an. Man entdeckt Tipp- und Rechtschreibfehler und glaubt, sie unbedingt schnellstmöglich verbessern zu müssen, weil sonst …. Ja, was eigentlich?
Innezuhalten und im Text zurückzugehen, um Fehler zu verbessern, egal ob es Schreibfehler oder inhaltliche sind, bedeutet, dass man den Gedanken unterbricht, das Schreiben stockt und man erst wieder zum nächsten Satz zurückfinden muss. Das ist mühseliger als notwendig und es behindert auch einen angenehmen Klang des Textes. Wenn wir nicht innehalten, sondern unserer inneren Schreibstimme zuhören und mitschreiben, dann klingt der Text geschmeidiger und natürlicher.
Die Verfertigung der Gedanken beim Schreiben
Der Schreibforscher Peter Elbow hat in seinem Buch „Writing with Power: Techniques for Mastering the Writing Process“ auch noch auf einen anderen wichtigen Aspekt aufmerksam gemacht: Wenn wir sprechen, tasten wir uns oft ganz langsam an eine Aussage heran. Wenn wir anfangen, wissen wir nur sehr ungefähr, was wir überhaupt sagen wollen. Probeweise machen wir ein paar Aussagen, die noch keine Treffer sind, tasten uns aber langsam an den Kern der Sache heran. Und schließlich können wir genau das ausdrücken, was wir, als wir zu sprechen begannen, noch nicht formulieren konnten. Ohne unsere Fehlversuche und unser Herantasten hätten wir es nicht ausdrücken können. Diese Prozedur kann etwa so klingen: „Ich kann absolut nicht sagen, wonach diese Suppe schmeckt. Geht gar nicht, das könnte alles sein. Also, ein bisschen nach Kampfer. – Nein, doch nicht, auf keinen Fall Kampfer. Bäh. Aber was anderes Grünes. Jawohl, Basilikum! Diese Suppe schmeckt eindeutig – tataa! – nach Basilikum. Total würzig. Ach, nein, doch nicht. Grün und stark würzig, es ist Bärlauch!“
Beim Schreiben funktioniert dieser Prozess genau wie beim Sprechen. Durch munteres Nach-vorne-Erzählen entwickeln wir unsere Gedanken, Schreibdenken nennt man das auch. Aus dieser Perspektive wird klar, warum das Drechseln an einem Satz, bis er „richtig“ ist, keine gute Strategie für einen gelungenen Text ist.
Platzhalter nutzen
Das ist erst einmal die Theorie. Doch in der Praxis fällt uns oft ein bestimmtes, nämlich genau das richtige Wort nicht ein, wir haben noch keine Idee für den nächsten Absatz und müssen dringend ein Detail recherchieren. Wie soll man dabei im Schreibfluss bleiben? Indem man Platzhalter verwendet. Wenn an einer Stelle noch Inhalte fehlen, kann man beispielsweise Klammern setzen (…), damit man später nicht vergisst, es nachzutragen. ?! könnte „Hier ist eine Recherche notwendig“ bedeuten. Am besten legt man sich seine eigenen Symbole als Platzhalter zurecht. Und wenn das richtige Wort fehlt, dann schreibt man zunächst einfach so viele ähnliche Wörter hin, wie notwendig, um die Bedeutung, die man erreichen will, einzukreisen. Diese Maßnahmen fühlen sich zuerst merkwürdig an, einen seltsam verlotterten
Weitere Kostenlose Bücher