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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Mundharmonika gespielt.«
     
    Dr. Scholsdorff verbrachte das Kriegsende auf eine Weise, die ihn fast zum Helden stempelte: er hatte sich in ein kleines
     »rechtsrheinisches Dorf zurückgezogen, wo ich, da ich echte Papiere hatte und keinen politischen Makel an mir trug, von den
     Nazis unangefochten und ohne die Amerikaner fürchten zu müssen, das Kriegsende abwartete. Ich übernahm, um meine Tarnung zu
     totalisieren, das Kommando über eine Volkssturmgruppe von etwa zehn Männern, von denen drei über siebzig, zwei unter siebzig,
     zwei oberschenkel-, einer unterschenkelamputiert waren, einer armamputiert und der zehnte schwachsinnig, das heißt, der Dorftrottel
     war; unsere Bewaffnung bestand aus ein paar Knüppeln und hauptsächlich aus geviertelten weißen Bettüchern; außerdem hatten
     wir ein paar Handgranaten, mit denen wir eine Brücke sprengen sollten; nun, ich marschierte mit meiner Truppe los, wir banden
     unsere gevierteilten Bettücher an Stangen, ließen die Brücke ungeschoren – und übergaben das Dorf unversehrt |300| den Amerikanern. Bis vor zwei Jahren war ich im Dorf (es handelt sich um den Bergischen Flecken Ausler Mühle. Der Verf.) sehr
     willkommen, war permanent zur Kirmes und ähnlichen Festen eingeladen; seitdem allerdings bemerke ich einen Stimmungsumschwung,
     höre gelegentlich das Wort Defaitist – und das nach 25 Jahren und wo ich doch auch den Kirchturm gerettet habe, weil ich dem
     amerikanischen Leutnant Earl Wittney mit meinem Leben dafür garantierte, daß er unbesetzt und nicht militärisch benutzt sei.
     Nun, es ist ein Rechtsruck erfolgt, daran ist nicht zu zweifeln. Jedenfalls gehe ich nicht mehr mit so totaler Gelassenheit
     dorthin.«
     
    Hans und Grete Helzen bedürfen nur eines kurzen Alibis: Hans wurde erst im Juni 1945 geboren; ob er im Mutterleib Werwolfgefühle
     gezeigt hat, ist dem Verf. nicht bekannt. Grete schließlich ist erst 1946 geboren.
     
    Heinrich Pfeiffer, bei Kriegsende 21, lag, soeben oberschenkel-(links)-amputiert, in einem Barockkloster in der Nähe von Bamberg,
     das in ein Lazarett verwandelt worden war. Er war – nach eigener Aussage – »gerade aus der Narkose erwacht, und mir war elend
     genug, da standen die Amis vor der Tür – zum Glück ließen sie mich in Ruhe«.
     
    Der alte Pfeiffer, der seinen und seiner Frau Standort »am Tag der Niederlage« mit »unweit Dresden« angibt, zieht sein gelähmtes
     Bein nun schon im siebenundzwanzigsten (nimmt man das heutige Datum, gar im dreiundfünfzigsten) Jahr hinter sich her, jenes
     Bein, das Lenis Vater auch im Jahre 1943, bevor er ins Gefängnis mußte, immer noch als »das verlogenste Bein, das ich kenne«
     bezeichnet hat.
     
    |301| Die van Doorn: »Ich habe geglaubt, ich wäre die Schlaueste gewesen, und bin schon im November 44 nach Tolzem gezogen, wo ich
     doch mein Elternhaus und das Grundstück dazu gekauft habe, von dem Geld, das der Hubert packenweise verschenkte. Ich habe
     der Leni immer wieder gesagt, sie soll doch zu mir ziehen und ihr Kind – wir wußten immer noch nicht, von wems war – in Ruhe
     auf dem Land kriegen, und ich habe ihr gesagt, bei uns sind die Amerikaner ganz bestimmt zwei, drei Wochen früher als bei
     euch, und wie wars, wie ists gekommen? Ein Glück, daß Leni nicht dabei war. Sie haben Tolzem – so nennt man das doch – dem
     Erdboden gleichgemacht, wir hatten eine halbe Stunde Zeit, wegzugehen, und sind mit Autos über den Rhein gebracht worden,
     und nachher konnten wir doch nicht wieder über den Rhein zurück, wo doch drüben die Amerikaner und bei uns noch die Deutschen
     regierten. Oh, ein Glück, daß die Leni nicht meinem Rat gefolgt ist. Von wegen Land und Ruhe und Luft und Blumen – und so:
     wir haben nur noch ne riesige Staubwolke gesehen – das war einmal Tolzem gewesen – nun ist es ja wieder aufgebaut, aber ich
     sage Ihnen: eine große Staubwolke!«
     
    Die Kremer: »Nachdem sie den Jungen weggeholt hatten, dachte ich: wohin jetzt, nach Osten, nach Westen oder bleiben? Ich hab
     mich fürs Bleiben entschlossen: nach Westen ließen sie keinen, nur Soldaten und Schanzkommandos – und nach Osten? Was wußte
     ich – sie konnten da noch ein paar Monate oder ein Jahr Krieg spielen. Also bin ich geblieben, in meiner Wohnung, bis zum
     Zweiten (Es ist der 2. März 1945 gemeint, der in gewissen Kreisen, die in der Stadt geblieben sind, einfach ›der Zweite‹ genannt
     wird. Der Verf.). Da kam der Angriff, bei dem so viele

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