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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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kriegen und rauskriegen, wer ich bin – dann bin ich verloren, verloren bin ich auch, wenn die Deutschen mich
     kriegen, die jetzt noch am Ruder sind. Hilf mir, Margret.‹ Sie hätten ihn vorher kennen müssen, so ein Mensch, der nur Taxi
     fuhr oder mit einem Dienstwagen ankam, dreimal im Jahr auf Urlaub und tüchtig mitbrachte, immer flott und lustig, und nun
     war er da wie ein elendes kleines Mäuschen, hatte Angst vor den Kettenhunden und vor den Amerikanern, vor allen. Da bin ich
     zum erstenmal auf eine Idee gekommen, die ich hätte früher haben können. Im Lazarett starben doch viele, und es wurden natürlich
     die Soldbücher einkassiert, ausgetragen und registriert und an die Truppe oder was zurückgeschickt; jedenfalls, ich wußte,
     wo die Soldbücher lagen, und ich wußte auch, daß manche Soldaten sie gar nicht abgegeben hatten oder daß man sie nicht gefunden
     hatte, wenn sie schwer verwundet eingeliefert wurden und ihre zerfetzten, blutigen Klamotten weggeschmissen wurden. Was hab
     ich getan? Ich hab noch in derselben Nacht drei Soldbücher geklaut – es lagen genug da, und ich hatte Auswahl genug, mir solche
     auszusuchen, mit Fotos, die im Alter und im Aussehen Schlömer und Boris glichen; hab also zwei von Blonden mit Brillen genommen,
     so ungefähr vier-, fünfundzwanzig, eins von einem zarten Dunklen ohne Brille, ungefähr Ende Dreißig, wie Schlömer, und habs
     ihm gegeben. Alles Geld, was ich hatte, und Butter und Zigaretten und Brot, habs ihm eingepackt und ihn auf den Weg geschickt,
     mit seinem neuen Namen: Ernst Wilhelm Keiper, das hab ich mir sogar notiert und die Adresse, weil ich doch wissen wollte,
     was aus ihm wird. Wir waren |298| doch immerhin, wenn auch nur sporadisch, fast sechs Jahre lang miteinander verheiratet, und ich habe ihm gesagt, das sicherste
     wäre, wenn er in die Wehrmacht ginge, Frontleitstelle oder so, wo sie doch alle, alle hinter ihm her waren. Das hat er getan.
     Er hat geweint, und wenn Sie Schlömer noch vor 44 gekannt haben, wissen Sie nicht, was das bedeutet: ein weinender, bettelnder,
     dankbarer Schlömer, der mir die Hand küßte. Wien Hündchen hat er geweint – und ist weg. Nie mehr gesehen. Später bin ich dann
     mal aus Neugierde zu der Frau von diesem Keiper gefahren, im Kohlenpott, da bei Buer, ich wollte doch wissen – verstehen Sie?
     Die war schon wieder verheiratet, und ich habe gesagt, ich hätte ihren Mann im Lazarett gepflegt, und er wäre gestorben und
     hätte mich gebeten, sie zu besuchen. Nun, das war eine schnippische, kesse Tante, sage ich Ihnen. Sie fragte mich nämlich:
     ›Welchen von meinen Männern meinen Sie, meinen Ernst Wilhelm, der ist nämlich gleich zweimal gestorben, einmal im Lazarett
     und ein zweites Mal bei so einem Kaff bei euch da oben, das Würselen heißt.‹ Nun, so war Schlömer also tot, und ich verhehle
     nicht: ich war erleichtert. War vielleicht besser für ihn, als von den Nazis oder den Partisanen erhängt oder erschossen zu
     werden. Nun, er war ein richtiger Kriegsverbrecher – hat in Frankreich und Belgien und Holland Zwangsarbeiter rekrutiert,
     gleich von 39 an, gelernt hatte er ja Kaufmann. Ich bin ziemlich oft verhört worden seinetwegen, und das Haus haben sie mir
     ja dann auch weggenommen, mit allem drum und dran, nur gerade meine Klamotten durfte ich mitnehmen. Offenbar hat Schlömer
     tüchtig geklaut und so, plattgeschlagen, sich bestechen lassen – ja, da saß ich 49 regelrecht auf der Straße und bin ja auch
     mehr oder weniger auf der Straße geblieben. Ja, auf der Straße, obwohl die Leni und alle versucht haben, mir wieder Boden
     unter die Füße zu schaffen. Ich habe ja auch ein halbes Jahr bei der Leni |299| gewohnt, das ging aber auf die Dauer nicht wegen meiner Männerbekanntschaften, wo der Junge doch da groß wurde und mich eines
     Tages fragte: ›Warum, warum Margret, will der Harry‹ – das war ein englischer Feldwebel, mit dem ich damals befreundet war
     –, ›warum will er immer so tief in dich rein?‹« (Margret errötete wieder einmal. Der Verf.).
     
    Wo Schirtenstein das Kriegsende erlebte, ist bereits bekannt: Er klimperte auf dem Klavier »Lili Marleen« für sowjetische
     Offiziere, irgendwo zwischen Leningrad und Witebsk; ein Mann, vor dem sogar eine Monique Haas Respekt hatte. »Ich hatte einen
     grausamen, einen schrecklichen Wunsch« (Sch. zum Verf.), »ich wollte fressen und am Leben bleiben. Und ich hätte sogar ›Lili
     Marleen‹ auf der

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