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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Jungen, der über ihr lag, das Haar aus der Stirn strich und ihn anlächelte,
     und ich strich meinem auch das Haar aus der Stirn und lächelte ihn an, und dann haben wir uns wieder richtig angezogen, zurechtgemacht
     ein bißchen und still dagesessen; wir hatten, ohne uns zu verabreden, alles aus unseren Taschen geholt, Zigaretten und Brot,
     und die junge Frau hatte Eingemachtes in ihrer Einkaufstasche, Gürkchen und Erdbeermarmelade – alles haben wir miteinander
     gegessen, kein Wort gesprochen, als hätten wirs verabredet, uns nicht nach dem Namen gefragt – kein Wort, und der Staub knirschte
     uns auf den Zähnen, mir der Staub von dem Jungen und ihm wohl meiner – und dann wars vorüber, so gegen halb fünf. Still. Nicht
     ganz. Irgendwo fiel was, irgendwo stürzte was, irgendwo explodierte was – an die sechstausend Bomben. Nun, wenn ich sage still,
     dann meine ich, keine Flugzeuge mehr – und wir alle raus, jeder für sich allein – kein Wort zum Abschied: nun, wir standen
     alle in einer riesigen, in einer himmelhohen Staubwolke, in einer Rauchwolke, in einer Feuerwolke – ich bin zusammengeknackst
     und ein paar Tage später im Krankenhaus wach geworden und hab immer noch gebetet, nun, es war das letztemal. Ein Glück, daß
     sie mich nicht einfach verscharrt haben, was meinen Sie, wie viele einfach verscharrt worden sind. Und was glauben Sie, was
     aus dem Brauereikeller geworden ist? Er ist eingestürzt, zwei Tage, nachdem wir raus waren – ich denke mir, das Gewölbe hat
     weiter getitscht wien Gummiball und ist dann zusammengebrochen. Ich hin, weil ich doch nach meiner Wohnung sehen wollte: nichts,
     nichts, nichts – |305| nicht mal das, was man nen anständigen Trümmerhaufen hätte nennen können, und den Tag drauf, als ich aus dem Krankenhaus raus
     war, kamen ja auch dann die Amerikaner.«
     
    Wir wissen, daß die Wanft evakuiert war. Offenbar hat sie Böses, Schlimmes erduldet (da sie schweigt, konnte der Verf. nicht
     feststellen, ob objektiv oder lediglich subjektiv Böses oder Schlimmes). Sie sagte nur ein Wort: »Schneidemühl«. Von Kremp
     wissen wir, daß er für die Autobahn, an der Autobahn starb, möglicherweise ein Wort wie »Deutschland« auf den Lippen.
     
    Dr. Henges »verzog sich« (H. über H.) »mit meinem gräflichen Vorgesetzten in eins der Dörfer, wo wir sicher sein konnten,
     daß die Bauern uns nicht verrieten. Als Waldarbeiter getarnt, wohnten wir in einer Blockhütte, wurden aber wie die Herren
     versorgt und gepflegt; sogar Liebesdienste wurden uns von den dem gräflichen Haus ergebenen Frauen nicht nur nicht verweigert,
     regelrecht angeboten. Ich gestehe Ihnen freimütig, daß mir die bayerische Erotik und Sexualität zu grob war und ich mich nach
     rheinischer Verfeinerung sehnte, nicht nur in diesem Punkt. Da ich nicht allzuschwer belastet war, konnte ich schon 1951 nach
     Hause, der Herr Graf mußte noch bis 1953 warten, stellte sich dann freiwillig dem Gericht, in einem Augenblick aber, wo an
     sich das Kriegsverbrechergetue stillschweigend abgeblasen wurde. Er saß noch drei Monate in Werl und kam dann bald wieder
     in den diplomatischen Dienst. Ich zog es vor, mich politisch nicht mehr zu exponieren, nur meine exakten philologischen Kenntnisse
     zur Verfügung zu stellen.«
     
    Hoyser sen.: »Ich fühlte mich durch meinen Hausbesitz gebunden, ich hatte ja nicht nur das Gruytensche Haus, es |306| gelang mir noch, im Januar 45 und im Februar 45 je ein Haus von politisch extrem gefährdeten Personen zu erwerben. Sie können
     das, wenn Sie wollen, als Anti- oder Re-anti-Arisierung bezeichnen, es waren zwei Häuser aus ehemals jüdischem Besitz, die
     zwei alte Nazis mir verkauften, rechtmäßig, mit Notar und Scheck, ganz rechtmäßig. – Es war eine korrekte Besitzübertragung
     – schließlich wars nicht verboten, Häuser zu kaufen oder zu verkaufen, oder? Der Zweite ist mir erspart geblieben, weil ich
     grad über Land war – aber die Staubwolke hab ich gesehen, in vierzig Kilometer Entfernung – eine riesige Staubwolke –; und
     als ich am anderen Tag zurückgeradelt bin, habe ich eine tadellose, makellose Wohnung im Westen gefunden, da mußte ich erst
     raus, als die Engländer kamen. Die haben nämlich ganz schön die Stadtviertel geschont, in denen sie später wohnen wollten.–
     Die – Leni und Lotte und die, die haben mich ganz schön im Stich gelassen und mir nichts erzählt von ihrem kleinen Sowjetparadies,
     das sie da in den Grüften

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