Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)
und wenn er Glück hatte, auf einszwanzig, was den Kohl fett machte, waren die Schwerarbeiterzulagen, Marken, auf die
es Fett, Brot, Zucker und so gab, um die zu bekommen, mußte man natürlich eine Firma gründen, das habe ich getan, meine Firma
hieß ›Abbau A. G.‹, und die halbe Stadt hat mich ausgelacht, als ich anfing, Stahlträger zu sammeln, die gabs nämlich kilometerweise,
ganz Europa lag voller Stahl, und Sie bekamen für einen abgeschossenen Panzer nicht mal zwei Packungen Zigaretten – nun, ich
habe die Leute lachen lassen. Ich habe vier Kolonnen beschäftigt, mit Werkzeug ausgerüstet, habe mir die Ausschlachtungserlaubnis
besorgt und systematisch Stahlträger gesammelt. Weil ich mir dachte: lacht ihr nur, Stahl ist Stahl und bleibt Stahl. Das
war zu einer Zeit, wo Sie alte Schlachtschiffe, Panzer und Flugzeuge geschenkt bekamen, wenn Sie sie nur abschleppten, und
auch das |339| hab ich getan: Panzer abgeschleppt; Grundstücke hatte ich genug, damals noch unbebaut. Auf diese Weise habe ich zwischen 45
und 48 mein ganzes Kapital noch anlegen können: einhunderttausend laufende Meter Stahlträger allerbester Qualität, schön gestapelt,
gelagert, und ich habe von Anfang an nicht auf Tarif gemacht und habe die Leute nicht für acht oder zehn Mark den Tag arbeiten
lassen. Ich habe einen guten Akkord bezahlt, drei Mark pro laufenden Meter, und da sind manche, je nach Lage des Grundstücks,
gut und gerne am Tag manchmal auf hundertfünfzig und mehr Mark gekommen, und dazu haben sie noch alle ihre Schwerstarbeiterkarte
bekommen. Das war eine zusätzliche Vergünstigung. Wir sind systematisch von den Außenbezirken in die Innenstadt vor, wo die
großen Kauf- und Bürohäuser waren. Da wurde es ein bißchen schwieriger, weil noch so viel Beton an den Trägern dranhing und
manchmal ein ganzes Gewirr von Moniereisen, die abgeschweißt werden mußten. In solchen Fällen habe ich natürlich dann auch
mal fünf oder sechs, bis zu zehn Mark für den laufenden Meter bezahlt, das muß man doch aushandeln, wies im Bergwerk je nach
Lage der Kohle ausgehandelt wird. Gut. Lenis Vater hat eine von diesen Kolonnen für mich geführt, hat natürlich selbst mit
Hand angelegt, und so wie die laufenden Meter abends bei mir abgeliefert wurden, wurde cash bezahlt: bar auf die Hand die Scheine, und da waren welche drunter, die gingen manchmal abends mit dreihundert Mark nach Hause,
manchmal natürlich nur mit achtzig, aber nie drunter. Das war zu einer Zeit, da verdienten meine Arbeiter in der Gärtnerei
in der Woche kaum sechzig. Und immer noch hat die halbe Stadt gelacht über meine Stahlträgersammlung, die da auf meinen Grundstücken
an der Schönstätterstraße verrosteten, zu einer Zeit, wo die Hochöfen demontiert wurden! Also: ich bin stur geblieben, schon
aus Eigensinn. Nun, das war |340| nicht immer ungefährliche Arbeit, das gebe ich zu, aber schließlich habe ich keinen dazu gezwungen, keinen: es war ein klares
Angebot, ein klares Geschäft, und ich habe mich nicht darum gekümmert, was die da sonst noch alles in den Trümmern fanden:
an Möbeln und Kram, Büchern und Haushaltsgerät und so weiter. Das war deren Nebengeschäft. Die Leute haben sich totgelacht
und immer, wenn sie an meinen Grundstücken vorbeikamen, gesagt: ›Da verrostet Pelzers Geld.‹ Es gab da sogar Exaktheitswitzbolde
unter meinen Freunden im Karnevalsverein ›Immerjröne Strüssjer‹ – Bautechniker und so –, die rechneten mir genau vor, wieviel
Geld nun tatsächlich da vom Rost gefressen wurde: die hatten so ihre Formeln vom Brückenbau und so, mit exakten Flächenangaben,
und ehrlich gesagt, ich war selbst nicht mehr so sicher, daß es eine gute Geldanlage war. Aber komisch, 1953, als das Zeug
da zwischen acht und fünf Jahre lang dalag und als ichs loswerden mußte und wollte, schon weil ich die Grundstücke doch bebauen
wollte angesichts der Wohnungsnot, und als ich dann blanke eineinhalb Millionen Mark dafür kassierte, da haben sie mich alle
für einen Lumpen, für einen Spekulanten, für einen Kriegsgewinnler oder was weiß ich gehalten. Da waren plötzlich auch die
alten Panzer was wert und die Lastwagen und was ich so alles nebenher – völlig legal versteht sich – hatte abschleppen lassen,
weil doch nun die beiden Riesengrundstücke leer waren, und ich das Geld da herumliegen hatte. Nun, da ist eben auch dann das
Schreckliche passiert, was die Weiber mir nie
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