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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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ihren Namen vergessen –, mit ihren vulgärsozialistischen Vorstellungen, die mich so ordinär beschimpfte und letzten Endes
     hinauswarf, die ist doch, wie mir zu Ohren gekommen ist, auch mit ihren Söhnen nicht zurechtgekommen und hat sich ständig
     am Rande der Asozialität, wenn nicht Prostitution bewegt. Und war denn Herr Gruyten, der Vater dieser merkwürdig sprachlosen
     Frau und spätere Geliebte dieser frechen rosaroten Halbnutte, war der denn etwa ein Gotteslamm in Kriegszeiten? Was ich meine,
     ist: man hatte keinen Grund, mich so hochnäsig von der Schwelle zu weisen und ungeprüft Urteile eines Gerichts zu übernehmen,
     dessen Fragwürdigkeit inzwischen ja in aller Munde ist. Nein nein, Dank habe ich wahrlich nicht geerntet.«
    Das alles wurde mit leiser Stimme vorgetragen, gekränkt eher als aggressiv, und hin und wieder nahm Mieze seine Hand, um ihn
     zu beruhigen, wenn die Adern zu schwellen begannen. »Postanweisungen wurden retourniert, Briefe nicht beantwortet, Ratschläge
     unbeachtet gelassen, und diese freche Person, ich meine die andere, hat mir eines Tages klipp und klar geschrieben: ›Merken
     Sie eigentlich nicht, daß Leni nichts mit Ihnen zu tun haben will?‹ Nun, gut – ich habe mich dann ganz zurückgehalten, aber
     mich natürlich durch Informationen auf dem laufenden gehalten, des Jungen wegen – und was ist aus ihm geworden? Ich will nicht
     sagen ein Krimineller, denn es läge unterhalb meines Niveaus, die jeweils geltende Rechtsvorstellung ungeprüft zu übernehmen.
     Ich war selbst kriminell, es war strafbar, daß ich aus eigener Entscheidung den Roggenschrotgehalt und den Rübenschnitzelgehalt
     des Russenbrotes um fünf Prozent hob und den Zellmehl- und Laubgehalt entsprechend senkte, um das Brot bekömmlicher zu machen:
     das hätte mich KZ kosten können. Und ich war ein Krimineller, bloß weil ich an Fabriken beteiligt war und auf Grund von |370| Verflechtungen kompliziert-familiärer und kompliziert-ökonomischer Art zu den Großunternehmern gehörte, deren Reich oder besser
     gesagt Bereich eine detaillierte Überschaubarkeit nicht mehr ermöglicht. Nun, ich war selbst kriminell genug, in den verschiedensten
     Epochen, als daß ich den Jungen nun einfach als Kriminellen bezeichnen möchte, aber gescheitert ist er, daran besteht kein
     Zweifel – es ist doch Irrsinn und beruht auf einer irrsinnigen Erziehung, wenn einer mit dreiundzwanzig Jahren durch Scheckbetrug
     und Wechselfälschungen Besitzverhältnisse wiederherstellen will, die nun einmal legal, wenn auch hart, die nun einmal unerbittlich,
     wenn auch durch möglicherweise peinliche, nennen wir es, Geschicklichkeit der jetzigen Besitzer entstanden sind. Vermacht
     ist nun einmal vermacht, und verkauft ist verkauft. Psychoanalytisch ausgedrückt, liegt bei dem Jungen eine gefährliche Mutterbindung
     und ein Vatertrauma vor. Die hat doch nicht geahnt, was sie mit ihrem Kafka angerichtet hat – und hat nicht gewußt, daß so
     konträre Autoren wie Kafka und Brecht, so intensiv gelesen, einfach unverdaulich nebeneinanderliegen –, und darüber nun auch
     noch das extreme Pathos Hölderlins und die faszinierende Verfallslyrik Trakls: das hat das Kind doch aufgesogen, als es gerade
     anfing zu sprechen und zu hören, und dazu dann dieser corporalistische Materialismus mit mystischen Zügen: ich bin ja auch
     gegen Tabus, aber war es denn richtig, diesen Biologismus so detailliert zu betreiben, diese Verherrlichung aller Organe des
     menschlichen Körpers und ihrer Funktionen? – schließlich sind wir doch gebrochen, gebrochen in unserer Natur. Oh, es ist schon
     bitter, nicht helfen zu dürfen, es ist schmerzlich, abgewiesen zu werden.«
    Auch hier nun, was der Verf. hier für unmöglich gehalten hätte:
    |371| T. als Folge von W., jenes wiederum als Folge verborgenen L. 2 – und in diesem Augenblick kamen die Hunde über den herrlichen
     Rasen gelaufen, königlich schöne Afghanen, die den Verf. nur kurz beschnupperten, ihn als offensichtlich zu vulgär dann beiseite
     ließen, um dem Herrchen die Tränen abzulecken. Verflucht noch mal, fingen jetzt alle an, sentimental zu werden: Pelzer, Bogakov,
     der hochgestellte Herr? Hatten nicht sogar Lottes Augen verdächtig geglitzert, hatte nicht Marja van Doorn ebenfalls offen
     geweint – und war Margret nicht fast schon eine Tränenpfütze, während Leni selbst ihren Augen nur eben so viel Feuchtigkeit
     erlaubte, wie notwendig war, sie klar und offen zu

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