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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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zusammenzustellen,
     mit der er sich bis zu seinem Tode 1949 »ganz gut über Wasser hielt« (Leni). Außerdem betätigte er sich als »Ausschlachter«
     (Leni).
     
    Fragt man die außerfamiliären Zeugen nach den wahrscheinlichen Motiven seines geschäftlichen Ehrgeizes, so wird eben dieser
     Ehrgeiz von einigen schon bestritten, von anderen »als Grundzug seines Wesens« bezeichnet; zwölf bestreiten den Ehrgeiz, zehn
     plädieren für »Grundzug«. Alle bestreiten, was auch ein so alter Mann wie Hoyser bestreitet: daß er auch nur die geringste Begabung als Architekt gehabt
     habe; nicht einmal als »Baumensch allgemein« wird ihm Begabung zugebilligt. Was er, von allen unbestritten, gewesen zu sein
     scheint: ein guter Organisator, Koordinator, der, auch als sein Betrieb fast zehntausend Beschäftigte umfaßt, »nie den Überblick
     verloren hat« (Hoyser). Bemerkenswert ist, daß von den |76| zweiundzwanzig außerfamiliären Zeugen fünf (zwei von der »Nicht-Ehrgeiz«-, drei von der »Grundzug«-Partei), unabhängig voneinander,
     ihn als »Grübler« definierten; gefragt, was sie zu dieser überraschenden Definition veranlasse, sagten drei einfach: »Nun
     ja, eben ein Grübler – ein Grübler ist doch ein Grübler.« Zwei nur ließen sich herab, auf die Frage, über was er denn nun
     gegrübelt haben könnte, zusätzlich Auskunft zu geben. Der pensionierte Oberbaudirektor Heinken, der auf dem Lande lebt, Blumen
     und Bienen züchtet (und merkwürdigerweise ungefragt seinen Haß auf Hühner – in jeden zweiten Satz flocht er die Bemerkung
     »Ich hasse Hühner« ein – zum Ausdruck brachte), erklärt Gruytens Grübelei als »ausgesprochene Existenzgrübelei – wenn Sie
     mich fragen: ein existentieller Grübler, der dauernd in Konflikt war mit irgendeiner Moral, die sich ihm quer vor den Weg
     stellte.« Der zweite, der etwa fünfzigjährige, noch sehr tätige Statiker Kern, inzwischen Beamter im Dienst der Bundesregierung,
     äußerte sich so: »Nun, wir alle hielten ihn für vital, und das war er wohl auch, und da ich selbst auf extreme Weise unvital
     bin (ein nicht gefordertes, aber zutreffendes Bekenntnis, der Verf.), hab ich ihn natürlich verehrt und bewundert, vor allem
     die Art, wie er – der doch sehr einfacher Herkunft war – mit den höchsten Herren verhandelte und geradezu umsprang und wie
     er sich da zurechtfand, aber oft, sehr oft, wenn ich zu ihm mußte – und ich mußte oft zu ihm –, saß er da an seinem Schreibtisch
     und starrte vor sich hin, grübelnd, wenn Sie mich fragen, ja ausgesprochen grübelnd, und er grübelte nicht über seine Geschäfte;
     er war für mich der Anlaß, darüber nachzudenken, wie ungerecht wir Unvitalen oft den Vitalen gegenüber sind.«
    Der alte Hoyser schließlich, auf den »Grübler« angesprochen, blickte überrascht auf und sagte: »Auf die Idee wäre ich nie
     gekommen, aber jetzt, wo ich das Wort höre, |77| muß ich sagen: es ist nicht nur was dran, es trifft zu. Schließlich habe ich den Hubert aus der Taufe gehoben, er war doch
     mein Vetter; in den Jahren nach dem Krieg (womit der Erste Weltkrieg gemeint ist, der Verf.) hab ich ihm ein wenig geholfen,
     und er später mir auf die großzügigste Weise; als er das Geschäft gründete, hat er mich sofort, obwohl ich schon dick in die
     Dreißig war, reingenommen, ich bin sein Hauptbuchhalter gewesen, sein Prokurist, später sein Kompagnon – nun, gelacht hat
     er selten, das stimmt, und es war nicht nur etwas, es war viel von einem Spieler in ihm. Und als dann die Katastrophe kam,
     da hab ich nicht gewußt, warum er das gemacht hat, vielleicht ist das Wort Grübler eine Erklärung dafür. Nur (böses Lachen),
     was er später mit unserer Lotte gemacht hat, das war wohl keine Grübelei.«
    Kein einziger der zweiundzwanzig überlebenden ehemaligen Mitarbeiter streitet ab, daß G. großzügig war, »nett im Umgang, nüchtern,
     aber nett«.
    Verbürgt, weil von zwei unabhängig befragten Zeugen geäußert, ist ein Satz, den G. im Jahre 1932, als er nahe an der Pleite
     war, geäußert hat. Es muß wenige Wochen nach Brünings Sturz gewesen sein. M. v. D. zitiert den Satz so: »Es riecht nach Beton,
     Kinder, nach Milliarden Tonnen Zement, nach Bunkern und Kasernen«, während Hoyser nur den Satz in folgender Form äußert: »Es
     riecht nach Bunkern und Kasernen, Kinder, Kasernen für mindestens zwei Millionen Soldaten. Wenn wir über das kommende halbe
     Jahr weg sind, haben wirs

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