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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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innerhalb von fünfundzwanzig
     Jahren nicht mehr.« J. II: »Innerhalb von achtundzwanzig Jahren hatten wir einen so begabten und intelligenten Zögling nicht
     mehr.« J. I: »Ein Kleist steckte in ihm.« J. II: »In ihm steckte ein Hölderlin.« J. I: »Wir haben nie versucht, ihn für den
     Priesterberuf zu gewinnen.« J. II: »Versuche, ihn dem Orden zu gewinnen, sind nicht unternommen worden.« J. I: »Es wäre auch
     Verschwendung gewesen.« J. II: »Selbst ordensfixierte Mitbrüder haben das abgelehnt.« Über die schulischen Leistungen befragt,
     sagte J. I: »Nun, er hatte einfach in allem Eins, auch im Turnen, aber eben nicht auf eine langweilige Weise, und jeder, aber
     auch jeder seiner Lehrer hatte Angst vor dem Augenblick, wo eine Berufswahl fällig geworden wäre.« J. II: »Na, selbstverständlich
     das Zeugnis von oben bis unten sehr gut, später schuf man für ihn das Prädikat: ausgezeichnet. Aber was aus ihm hätte werden
     können? Das hat uns alle bange gemacht!« J. I: »Ob Diplomat, Minister, Architekt oder Rechtsgelehrter, auf jeden Fall ein
     Dichter.« J. II: »Ein großer Lehrer, ein großer Künstler, ein – nun auf jeden Fall und immer ein Dichter.« J. I: »Nur für
     eins war er gewiß nicht tauglich, war er zu schade: für irgendeine Armee.« J. II: »Nur nicht Soldat, das nicht.« J. I: »Und
     das ist er geworden.« J. II: »Und das haben sie aus ihm gemacht.«
     
    Verbürgt ist, daß dieser Heinrich zwischen April 1939 und Ende August 1939 mit jenem Bildungsnachweis versehen, den man Abitur
     nennt, von seiner Bildung wenig |69| Gebrauch hat machen können und vielleicht nicht hat machen wollen. Er gehörte, gemeinsam mit einem Vetter, einer Institution
     an, die den schlichten Namen »Reichsarbeitsdienst« trug, hatte ab Mai 1939 hin und wieder von samstags dreizehn Uhr bis sonntags
     zweiundzwanzig Uhr Urlaub, verbrachte von den ihm vergönnten fünfunddreißig Stunden insgesamt acht auf der Bahn, benutzte
     die restlichen siebenundzwanzig Stunden, um mit seiner Schwester und seinem Vetter tanzen zu gehen, ein bißchen Tennis zu
     spielen, an ein paar Mahlzeiten im Familienkreis teilzunehmen, ungefähr vier bis fünf Stunden zu schlafen, zwei bis drei Stunden
     mit seinem Vater zu streiten, der alles, aber auch alles für ihn tun wollte und auch getan hätte, um jene Heinrich bevorstehende
     Prüfung abzuwenden, die man in Deutschland den Wehrdienst nennt – Heinrich lehnte das ab. Bezeugt sind heftige Szenen hinter
     der verschlossenen Wohnzimmertür, bei denen Frau Gruyten leise vor sich hinwimmerte, Leni ausgeschlossen war, und einzig verbürgt
     ist ein von M. v. D. deutlich gehörter Ausspruch von Heinrich: »Dreck, Dreck und Dreck will auch ich sein, nichts als Dreck.«
     Da Margret gewiß ist, an zwei Augustsommersonntagnachmittagen mit Heinrich Kaffee getrunken zu haben, außerdem überliefert
     ist (ausnahmsweise von Leni), daß erst Ende Mai der erste Urlaub stattfand, kann man getrost rechnen, daß Heinrich insgesamt
     siebenmal zu Hause war, insgesamt also etwa einhundertneunundachtzig Stunden – davon ungefähr vierundzwanzig schlafend – zu
     Hause, davon vierzehn im Krach mit seinem Vater verbracht hat. Es muß hier dem Leser die Entscheidung überlassen werden, ob
     H. unter die Günstlinge des Schicksals zu zählen ist. Immerhin: zweimal Kaffee mit Margret. Und wenige Monate später eine
     Liebesnacht mit ihr. Schade, wörtliche Zitate außer dem »Dreck, Dreck und Dreck will auch ich sein, nichts als Dreck« |70| sind von ihm nicht verbürgt. Hat dieser Mensch, der in Latein und Griechisch, in Rhetorik und Kunstgeschichte gleichermaßen
     ausgezeichnet war, keine Briefe geschrieben? Er hat. M. v. D., aufs liebenswürdigste angefleht, durch unzählige Tassen Kaffee
     und einige Packungen Virginiazigaretten ohne Filter bestochen (sie hat mit achtundsechzig angefangen zu rauchen und findet
     »diese Dinger herrlich«), hat aus Lenis Familienkommodenschublade, die diese selten öffnet, drei Briefe zeitweise entwendet,
     die rasch fotokopiert werden konnten.
     
    Der erste Brief, datiert vom 10. 10. 1939, zwei Tage nach Beendigung des Krieges in Polen, hat weder Anrede noch Grußfloskel,
     er ist in klar leserlicher, lateinischer, ungemein sympathischer und intelligenter Schrift verfaßt, die besserer Gegenstände
     würdig wäre. Der Brief lautet: »Es gilt der Grundsatz, daß dem Feinde nicht mehr Leid zuzufügen ist, als zur Erreichung des
     militärischen

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