Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)
Eifersuchtsgedicht, das man vielleicht
sogar hätte drucken können: ›Ich bin eifersüchtig, auf den Kaffee, den du trinkst, auf die Butter, mit der du dein Brot bestreichst,
eifersüchtig bin ich auf deine Zahnbürste und auf das Bett, in dem du schläfst.‹ Ich meine, das waren doch ziemlich eindeutige
Sachen, gut, aber Papier, Papier . ..«
Gefragt, ob es zwischen Leni und Erhard doch möglicherweise zu Intimitäten gekommen sei, die ihr, Heinrich und den anderen
verborgen geblieben seien, errötete Lotte überraschenderweise (Der Verf. gesteht, daß eine errötende Lotte bei den oft mühseligen
Recherchen eine große Freude war) und sagte: »Nein, das weiß ich ziemlich genau, denn als sie etwas mehr als ein Jahr später
mit diesem Alois Pfeiffer durchging, den sie dann dummerweise heiratete, prahlte der später bei seinem Bruder Heinrich, der
mirs naiv erzählte, ziemlich unverblümt damit, er habe ›Leni unberührt gefunden‹.« Lottes Erröten hielt an. Als sie gefragt
wurde, ob dieser Alois Pfeiffer bei seinem Bruder Heinrich möglicherweise mit etwas geprahlt haben könnte, mit einer Trophäe
sozusagen, die gar nicht er eingebracht habe, wurde sie zum erstenmal unsicher und sagte, »daß er ein Angeber war, ist fast
unbestreitbar |104| – und Sie bringen mich da auf einen Gedanken. Nein«, sagte sie nach kurzem Kopfschütteln, »nein, ich halte es für ausgeschlossen,
obwohl die beiden Gelegenheit genug gehabt haben – nein, nein«, sagte sie, verblüffenderweise noch einmal errötend. »Leni
verhielt sich nicht wie eine Witwe, als er tot war, wenn Sie wissen können, was ich meine – Sie verhielt sich, wenn Sies genau
wissen wollen, wie eine platonische Witwe.« Dem Verf. erschien diese Äußerung deutlich genug, er bewunderte ihre Direktheit,
war aber immer noch nicht ganz überzeugt, wenn er auch bedauerte, die Zeugin Lotte Hoyser geb. Berntgen so spät erst in ihrer
Aussagekraft entdeckt zu haben. Was ihn erstaunte, war Lenis Mitteilsamkeit, ja fast Gesprächigkeit in dieser Periode ihres
Lebens. Dafür bot Lotte Hoyser, nun nachdenklicher, stiller, nicht mehr ganz so zungenfertig, den Verf. hin und wieder fast
grübelnd anblickend, eine Erklärung an: »Es war klar, daß sie diesen Erhard liebte, daß sie ihn erwartungsvoll liebte, wenn Sie sich darunter etwas vorstellen können, und manchmal hatte ich das Gefühl, daß sie drauf und dran war, die Initiative zu ergreifen; nun, ich will Ihnen mal was sagen oder verraten: ich habe mal gesehen, wie
die Leni ein verstopftes Klo gereinigt hat, und ich war verblüfft über das Mädchen. Wir hockten da an einem Sonntagabend 1940
bei Margret in der Wohnung, tranken was und tanzten ein bißchen – mein Wilhelm war auch dabei –, und plötzlich stellt sich
raus, daß das Klo verstopft ist; ne scheußliche Sache, sag ich Ihnen. Irgendeiner hatte was reingeschmissen – nen ziemlich
dicken, angefaulten Apfel, wie sich später rausstellte, der einfach das Abflußrohr blockierte, und nun gingen die Männer ran,
um dieses peinliche Malheur auszuräumen; zuerst Heinrich – ergebnislos, er stakte mit nem Stocheisen drin rum, dann Erhard,
er versuchte es, was gar nicht unintelligent war, mit nem Ende von nem Wasserschlauch, den er aus der |105| Waschküche holte, und versuchte es durch physikalische Druckerzeugung, indem er wie verrückt in den Schlauch reinpustete,
den er ohne jede Zimperlichkeit rin in die abscheuliche Brühe steckte – und weil Wilhelm, mein Mann, der doch Installateur
gewesen war, dann Techniker und zuletzt Zeichner wurde, sich als erstaunlich zimperlich erwies und weil ich und Margret uns
vor Ekel schüttelten – wissen Sie, wer das Problem gelöst hat: Leni. Sie packte einfach mit der Hand rein, mit der rechten
Hand, und ich seh noch ihren schönen weißen Arm bis über den Ellbogen gelblich dreckig werden, und sie packte den Apfel, warf
ihn in den Abfalleimer – die ganze entsetzliche Brühe gurgelte wie nichts runter, und Leni, die wusch sich – gründlich allerdings
und immer wieder und wieder und rieb sich mit Kölnisch Wasser einfach die Arme und Hände ab, und sie machte – jetzt fällts
mir wieder ein – ne Bemerkung, die mir wie der Blitz einschlug. ›Unsere Dichter sind die mutigsten Kloreiniger gewesen.‹ Und
wenn ich nun meine, die konnte zupakken, wenns drauf ankam, dann meine ich, vielleicht hat sie sich auch diesen Erhard letzten
Endes einfach gepackt:
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