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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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heute wieder als Barbar betrachten.
    |139| Am frühen Morgen des 9. Juni steht unsere Division zum Angriff bereit. Kameraden eines Schwesterregimentes haben die Aufgabe,
     in unserem Abschnitt anzugreifen. Wir sind als Divisionsreserve eingeteilt.
    Alarm! – Raus!
    Es ist 4 Uhr morgens. Schlaftrunken kommt einer nach dem anderen aus dem Zelt gekrochen. Ein emsiges Treiben setzt ein.
    IV. Ein Held
    Die Geschichte dieses Helden ist ein Beispiel furchtloser Tapferkeit und des rücksichtslosen persönlichen Einsatzes deutscher
     Offiziere. Man hat gesagt, daß der Offizier den Mut haben müsse, seinen Männern vorzusterben. Aber jeder Soldat schließt ja
     in dem Augenblick, in dem er den Kampfplatz betritt und den Feind an der Gurgel faßt, Bruderschaft mit dem Tode. Er schleudert
     die Furcht aus seinem Herzen, spannt seine Kräfte wie die Sehne des Bogens, seine Sinne werden plötzlich überscharf, er wirft
     sich dem launischen Glück in die Arme, und er fühlt, ohne daß er es erkennt, daß sich das Glück und die Gnade der Götter nur
     dem Mutigen verbündet. Die Zagenden werden durch das Beispiel der Mutigen mitfortgerissen, und das Vorbild eines einzigen,
     der die furchtlose Tapferkeit vorlebt , entflammt die Fackeln der Kühnheit in den Herzen der Männer, die um ihn sind. So war Oberst Günther!
    V.
    Der Feind kämpft zähe, hinterlistig und, falls eingekreist, bis zuletzt. Er ergibt sich fast nie. Es sind Senegalneger, hier
     in ihrem Element, Meister im Buschkrieg. Wunderbar getarnt hinter Baumwurzeln, künstlichen oder natürlichen |140| Laubwänden, immer da eingegraben, wo ein Pfad oder eine lichtere Stelle im Walde den Angreifer anzieht. Aus allernächster
     Entfernung wird geschossen, fast jeder Schuß sitzt und fast immer tödlich. Auch die Baumschützen bleiben meist unsichtbar.
     Oft lassen sie den Angreifer vorbeiziehen, um ihn von hinten zu erledigen. Sie sind nicht wegzukriegen und plagen Reserven,
     Meldegänger, Stäbe, Artilleristen. Längst abgeschnitten, halb verhungert, haben sie noch nach Tagen einzelne Soldaten abgeschossen.
     Sie liegen, stehen oder sitzen dicht an den Stamm geschmiegt, oft noch mit einem Tarnnetz umhüllt, und lauern auf Beute. Kann
     mal wirklich einer ausgemacht werden, so hat der Wilde dies meist vorher bemerkt und sich einfach wie ein Sack von oben fallen
     lassen, um wie ein Blitz im Dickicht zu verschwinden.
    VI.
    Weiter, wir dürfen uns nicht aufhalten, gerade hier nicht. Das Bataillon marschiert ohne Deckung im Tal. Wer weiß, ob rechts
     und links auf den Höhen der Feind sitzt – nur weiter! Es ist wie ein Wunder, niemand stört unseren Vormarsch. Die Dörfer sind
     von den zurückflutenden Franzosen ausgeplündert und zerstört.
    »Dort drüben sieht man den Chemin des Dames«, sagte leise ein Kamerad neben mir – sein Vater ist im Weltkrieg gefallen. »Das
     muß der Ailettegrund sein, da ist er einmal als Essenholer verwundet worden.«
    Eine breite Autostraße führt durch den Ailettegrund zu dem beherrschenden breiten Höhenrücken am Chemin des Dames. Rechts
     und links der Straße gibt es kaum einen Fleck Erde, der im Weltkrieg nicht mehrmals von Granaten zerwühlt wurde. Nirgends
     ist ein größerer Baum mit einem richtigen Stamm zu sehen. 1917 gab es hier gar keine Bäume mehr, alles war zusammengeschossen |141| . In der Zwischenzeit haben die Wurzeln wieder ausgeschlagen, und aus jedem Baumstumpf ist ein Busch geworden.
    VII.
    Alle Augenblicke schauen wir auf die Uhr. Noch einmal wird geprüft und gemessen. Letzte Ermahnungen, da zerreißt ein Schuß
     die Stille. Angriff! Aus Waldrändern und hinter Buschreihen hervor feuern die deutschen Geschütze. Langsam rollt die Feuerwalze
     am Hang des jenseitigen Aisneufers hinauf. Das ganze Aisnetal ist in eine Rauchwolke gehüllt, so daß wir zeitweise nur wenig
     beobachten können. Im stärksten Feuer bringen die Pioniere die Floßsäcke heran und setzen die Infanterie über. Ein schwerer
     Kampf um den Übergang über die Aisne und den Kanal beginnt. Gegen 12 Uhr ist die jenseitige Höhe erreicht, trotzdem der Gegner
     sich verzweifelt wehrt. Wir können nun von unserer B.-Stelle nicht mehr weiter beobachten. Der vorgeschobene Beobachter und
     die beiden Funker sind schon am Vormittag mit der Infanterie vorgegangen. Am Nachmittag kommt auch für die B.-Stelle und Feuerstellung
     der Befehl zum Stellungswechsel. Heiß brennt die Sonne. Nach kurzer Zeit erreichen wir die Aisne. An der Höhe 163 soll

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