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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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erinnert sich »natürlich genau, als die beiden auftauchten, und – das sage ich Ihnen
     – sie wirkten keineswegs wie Turteltauben, eher wie begossene Pudel. Nun, er wär es ihr doch mindestens schuldig gewesen,
     mit ihr in ein nettes Hotel zu gehen, nachdem sie sich nun mal wie Naturfreunde verhalten hatten – ein nettes Hotel, wo sie
     sich hätte waschen, umkleiden und auch sonst zurechtmachen können. Dieser dumme Junge hatte doch keine Spur von Lebensart.«
     Frau (oder Fräulein) Fernande Pfeiffer selbst machte auf den Verf. durchaus den Eindruck, daß sie »Lebensart« gekannt hat. Sie hat das als herrlich gerühmte Pfeifferhaar, und obwohl nicht mehr jung, etwa Mitte fünfzig, und in materiell beschränkten
     Verhältnissen lebend, hatte auch sie eine Flasche des teuersten trockenen Sherrys zur Hand. Die Tatsache, daß Fernande von
     den P.s einschließlich Heinrich verleugnet wird, »weil sie sich mehrmals – und dazu noch ohne Erfolg – als Kneipenwirtin versucht
     hat«, macht sie für den Verf. keineswegs weniger |147| glaubwürdig. Ihre abschließende Bemerkung lautete: »Und ich bitte Sie, was war das denn für eine Situation für das nette Mädel
     – da in meiner Einzimmerwohnung zu hocken. Sollte ich etwa rausgehen, damit die beiden, nun – sagen wir mal – sich weiter
     hätten vergnügen oder versündigen können, oder sollte ich da hocken bleiben? Das war ja schlimmer für sie als in der billigsten
     Absteige, wo man immerhin wenigstens ein Waschbecken hat und ein Handtuch und die Tür hinter sich abschließen kann.« Schließlich
     äußerte Alois gegen Abend den Entschluß, »Hand in Hand, festen Auges und ohne Rücksicht auf die verrottete bürgerliche Moral
     den Eltern entgegenzutreten« (F. Pfeiffer), ein Ausdruck, der Leni nicht ihren Worten, nur ihrer »verächtlichen Miene« nach
     gleichermaßen mißfiel. Es ist schwer objektiv festzustellen, ob A. einfach ein bißchen schwindelte und ein paar Töne aus seiner
     »Löwe von Flandern«-Zeit auflegte oder ob ein unverkennbar idealistischer Grundzug in ihm angesichts des »reinen Erlebnisses«
     (so nannte er das Ganze peinlicherweise in Lenis Gegenwart seiner Tante gegenüber) hochkam. Offenbar erwies er sich hochgradig
     als Phrasenträger bzw. -produzent, und es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, wie die irdisch-materialistische, menschlich-himmlische
     Leni bei solchem Gerede die Stirn runzelte. Mag man nun der ominösen Tante glauben oder nicht, berichtet hat sie, daß es ihr
     so geschienen habe, als sei Leni wenig daran interessiert gewesen, mit A. eine weitere Nacht in Bett oder Heidekraut zu verbringen,
     und als A. einmal hinausgegangen sei, um die Halbtreppentoilette zu frequentieren, habe sie dessen Urlaubsschein aus der Tasche
     genommen und enttäuscht über die Länge des Urlaubs das Näschen gerümpft. Eins stimmt an diesem Bericht ganz sicher nicht:
     Leni hat kein Näschen, sondern eine gut ausgebildete, makellos geformte Nase.
    |148| Da Alois keinerlei Aktivität in Richtung Entführen oder ähnlichem zeigte, blieb am späten Abend, nachdem man »stumm dagesessen
     und meinen ganzen Kaffee weggetrunken hatte«, nichts weiter übrig, als sich den resp. Familien zu stellen. Peinlicherweise
     ging es erst zu den Pfeiffers, die in einem weit entfernten Vorort wohnten, seitdem der alte P. »in die Stadt versetzt« worden
     war. Der alte P. würgte, mühsam seinen Triumph verbergend, einen Vorwurf heraus: »Wie konntest du das der Tochter meines alten
     Freundes antun!«, Frau P. beschränkte sich auf ein fades »so was gehört sich doch nicht«. Der damals fünfzehnjährige Heinrich
     Pfeiffer glaubt sich genau daran zu erinnern, daß man die Nacht bei Kaffee und Cognac (Frau P.s Kommentar: »Das lassen wir
     uns was kosten«) verbrachte und ausführlich Heiratspläne geschmiedet hat, zu denen Leni schwieg, zumal sie gar nicht gefragt
     wurde. Schließlich schlief sie ein, während man weiter Pläne schmiedete, bis ins Detail wurde sogar die Wohnungsgröße und
     -einrichtung besprochen (»Unter fünf Zimmern kann er doch gar nicht seine Tochter ansiedeln – er ist es ihr doch einfach schuldig«,
     und »Mahagoni, drunter wirds nicht gehn.« »Vielleicht baut er endlich mal für sich selbst oder wenigstens für seine Tochter
     ein Haus.«). Gegen Morgen dann (alles nach Heinrich P.) machte Leni dann einen »ganz offensichtlich provozierend gemeinten
     Versuch, sich nuttenhaft zu geben. Sie rauchte zwei

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