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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Praktikum »warf sich Alois mit genialem Schwung« (P. sen.) auf einen Beruf, der wahrscheinlich seinem ohnehin
     schwachen Charakter zum Verhängnis wurde: er wollte Schauspieler werden. Einige erfolgreiche Auftritte auf einer Laienbühne,
     wo er im »Löwen von Flandern« die Hauptrolle spielte, haben in der P.schen Vitrine drei Zeitungsausschnitte hinterlassen,
     in denen er »uneingeschränktes Lob« erntet; daß es sich um ein und denselben Kritiker handelt, der lediglich für drei verschiedene
     Regionalblätter und unter verschiedenen Initialen schrieb, ist den P.s bis auf den heutigen Tag nicht aufgefallen; die Kritiken
     sind gleichlautend – bis auf einige winzige Variationen (statt »uneingeschränkt« steht einmal da »ungeschmälert«, ein anderes
     Mal »unbestreitbar«). Die Initialen lauten B. H. B., B. B. H., H. B. B. Natürlich scheiterte auch die Schauspielerei an dem
     Unverständnis der Umwelt für A.s »Intuition«; auch am Neid der Umwelt auf seine »Schönheit« (Frau P.).
     
    Zu den stolzesten Reliquien in der Familie P. gehören einige Exemplare gedruckter Prosa, die, ein wenig verblichen, golden eingerahmt, die oberste Etage der Vitrine zieren und dem Verf. von Frau P. mit der
     Bemerkung gezeigt wurden: »Sehen Sie mal, gedruckt , das ist doch echte Begabung, und was man damit hätte verdienen können.« (Diese Mischung aus höchstem Idealismus mit krassem
     Materialismus ist typisch für die P.s. Der Verf.)
    I. Aufbruch!
    Acht Monate haben wir schon Krieg und haben noch keinen Schuß abgegeben. Der lange und kalte Winter wurde |137| zu harter Ausbildung genutzt. Nun ist der Frühling da, und wir warten schon seit Wochen auf den Befehl des Führers.
    In Polen wurde gekämpft, während wir am Rhein die Wacht halten mußten; Norwegen und Dänemark wurden besetzt, ohne daß wir
     dabeisein durften; mancher behauptete schon, wir würden den Krieg überhaupt nur in der Heimat erleben.
    Wir liegen in einem kleinen Dorf in der Eifel. Da kommt am 9. Mai um 16.30 Uhr der Befehl zum Marsch nach Westen. Alarm! Melder
     rennen, Pferde werden geschirrt, überall Tornister gepackt, den Quartierleuten ein Dankeswort zum Abschied, die kleinen Mädchen
     haben rote verweinte Augen – Deutschland marschiert nach Westen, der untergehenden Sonne entgegen, hüte dich, Frankreich!
    Das Bataillon marschiert am Abend ab. Vor uns sind Truppen, dicht hinter uns folgen andere, und auf der linken Straßenseite
     überholen motorisierte Kolonnen ohne Ende. Wir marschieren durch die Nacht.
    Die Morgendämmerung ist nur zu ahnen, da bebt die Luft unter dem Dröhnen deutscher Flugzeuge, die über uns hinwegbrummen und
     dem westlichen Nachbarn den Morgengruß senden. Und immer noch überholen uns motorisierte Truppen. – »Deutsche Truppen haben
     in der Morgendämmerung die Grenzen von Holland, Belgien und Luxemburg überschritten und befinden sich auf dem weiteren Vormarsch
     nach Westen.« – Einer hat die Sondermeldung im Vorbeifahren in die Marschkolonne gerufen. Begeisterung brandet auf, wir winken
     unseren tapferen Kameraden der Luftwaffe zu, die immer wieder über uns hinwegfliegen.
    |138| II. Die Maas 1940
    Die Maas ist kein Fluß. Sie ist ein einziger Feuerstrahl. Die Uferhöhen zu beiden Seiten sind feuerspeiende Berge.
    Jede natürliche Deckung in diesem zur Verteidigung idealen Gelände ist ausgenutzt. Wo die Natur versagte, half die Technik.
     Überall Maschinengewehrnester, vor den Felsen, zwischen den Felsspalten, tief in den Felsen. Winzige Gewölbe, hineingebohrt,
     ausgemauert, ausbetoniert, über denen als Dach fünfzig Meter hohes, jahrtausendaltes, massiges Gestein sich türmt.
    III. Aisne 1940
    Hundertzwanzig Stukamotoren dröhnen ihr ehernes Lied!
    Hundertzwanzig Stukas brausen über die Aisne! Doch keiner findet sein Ziel.
    Die Natur hat sich schützend mit dichtem Bodennebel über die Weygandlinie gelegt.
    Auf, unbekannter Infanterist, heute mußt du, allein auf dich gestellt, deine harte, überlegene Schule beweisen. Dein Drang
     nach dem Siege muß den zähesten Widerstand brechen.
    Wenn du herabsteigst von den Höhen des Chemin des Dames, denk an das Blut, das hier geflossen ist.
    Denke daran, Tausende vor dir gingen schon diesen Weg. Du – Soldat von 1940 – sollst ihn vollenden.
    Hast du gelesen an dem Gedenkstein: »Hier stand Ailette, zerstört durch die Barbaren.« Welch verbrecherische Gesinnung verblendet
     deine Gegner, die dich, einen um sein Lebensrecht Kämpfenden, auch

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