Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)
Zigaretten hintereinander, inhalierte, stieß den Rauch durch die Nase
aus, beschmierte sich regelrecht mit Lippenstift.« Es wurde durch ein Telefon in der Nachbarschaft ein Taxi herbeigerufen
(diesmal Herr P.: »Das lassen wir uns was kosten.«) (Was? Der Verf.), und man fuhr in die Gruytensche Wohnung, wo man – von
nun an sind wir auf die Zeugin van Doorn angewiesen, da Leni beharrlich weiter schweigt – »peinlich früh, das heißt schon
gegen siebeneinhalb Uhr« eintraf. Frau |149| Gruyten lag nach wenig Schlaf (Fliegeralarm und erste Erkältung ihres Patenkindes Kurt) noch im Bett und frühstückte (»Kaffee,
Toast und Orangenmarmelade, was glauben Sie, wie schwierig es war, 1941 Orangenmarmelade aufzutreiben – aber er tat ja alles
für sie«).
»Da war sie also, Leni, ›am dritten Tage wieder auferstanden‹ – so kam sie mir vor, lief sofort zu ihrer Mutter, umarmte sie,
ging dann auf ihr Zimmer, bat mich, ihr ein Frühstück zu bringen, und – was denken Sie – sie setzte sich ans Klavier. Frau
Gruyten, das muß ich ihr nun doch lassen, ›erhob‹ sich – wenn Sie wissen, was ich meine –, machte in aller Ruhe Toilette,
legte ihre Mantilla um – ein wunderbares altes Stück, immer an die jüngste Tochter der Familie Barkel vererbt –, ging ins
Wohnzimmer, wo die Pfeiffers warteten, und fragte freundlich: ›Bitte, was wünschen Sie?‹ Dann gabs erst einmal eine Auseinandersetzung
wegen dem ›Sie‹: ›Aber Helene, warum siezt du uns auf einmal?‹, und Frau Gruyten: ›Ich erinnere mich nicht, Sie je geduzt
zu haben‹, und die alte Pfeiffersche sagte daraufhin: ›Wir bitten um die Hand Ihrer Tochter für unseren Sohn.‹ Daraufhin die
Gruyten: ›Hm.‹ Nichts weiter, geht ans Telefon und ruft im Büro an, man möge ausfindig machen, wo ihr Mann sich aufhalte,
und ihn sofort nach Hause schicken, wenn man ihn gefunden hat.«
Nun wurde offenbar etwa eineinhalb Stunden lang jene peinliche Mischung aus Komödie und Tragödie gespielt, die bei kleinbürgerlichen
Heiratseinfädelungen üblich ist. Es fiel etwa fünf dutzendmal das Wort »Ehre« (die van Doorn behauptet, das nachweisen zu
können, weil sie auf der Türfüllung eine Strichliste geführt habe). »Nun, wärs nicht um Leni gegangen, ich hätte es komisch
gefunden, denn die schlugen zurück, nachdem sie bemerkten, wie wenig Frau Gruyten daran lag, die Ehre ihrer Tochter durch
eine Ehe mit diesem A. zu reparieren, da führten |150| die die Ehre ihres Sohnes an – sie stellten ihn wie ne verführte Jungfrau hin und behaupteten, auch die Ehre ihres Sohnes
als Offiziersanwärter – was er gar nicht war und nie werden sollte – sei nur durch eine Ehe reparierbar. Es war schon mehr
als komisch, als sie anfingen, ihren A. auch körperlich anzupreisen: sein schönes Haar, seine 1,85, seine Muskeln.«
Zum Glück traf bald drauf der mit Schrecken erwartete alte Gruyten ein, der sich (»dabei hatte er doch wie ein Verrückter
getobt«) als »unendlich sanft, still, fast freundlich erwies, zur großen Erleichterung der Pfeiffers, die natürlich allesamt
Schiß vor ihm hatten«. Er schnitt Worte wie »Ehre« (»Auch wir haben unsere Ehre, auch wir«, der alte P. und seine Frau gleichlautend
und gleichzeitig) kurzerhand ab, sah A. sehr sehr nachdenklich an, küßte seine Frau lächelnd auf die Stirn und fragte A. nach
seiner Division, nach dem Regiment, »wurde immer nachdenklicher«, holte dann Leni aus ihrem Zimmer, »machte ihr nicht den
geringsten Vorwurf« und fragte sie trocken: »Was meinst du, Mädchen, heiraten oder nicht?« Darauf sah »Leni, wahrscheinlich
zum erstenmal, den A. richtig an, nachdenklich, und als hätte sie wieder mal ne Ahnung (Hat Leni bisher schon mal eine Ahnung
gehabt? Der Verf.), auch mitleidig, und immerhin war sie ja mit ihm durchgegangen und freiwillig, und sie sagte ›heiraten‹«.
»Mit einer gewissen Sympathie in der Stimme« (van Doorn) sah dann Gruyten den A. an, sagte »na also gut« und fügte hinzu:
»Ihre Division liegt nicht mehr bei Amiens, sie liegt in Schneidemühl.«
Er erklärte sich sogar bereit, A. bei der Erlangung einer Heiratserlaubnis Hilfe zu leisten, da die »Zeit ja drängt«. Es ist
natürlich einfach, nachträglich festzustellen, daß der alte G. von den erheblichen Truppenverschiebungen seit Ende 1940 gewußt
und in der Nacht vor dem Hochzeitsbeschluß |151| in einem Gespräch mit alten Freunden erfahren hat, daß
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